Der Lilienpakt
frage dich ein letztes Mal: Wer hat dich geschickt?«
Aber auch jetzt blieb der Mann stur. »Fahr zur Hölle, Franzosenschwein!«
Mit einem schnellen Stich in die Kehle tötete Athos den Mann.
Ich sah ihn erschrocken an.
»Mach den Mund wieder zu«, brummte er, als er meine Fassungslosigkeit bemerkte. »Dieser Mann war ein Spion. Hätte ich ihn am Leben gelassen, wäre er wieder genesen und hätte ein andermal versucht uns zu töten. Wahrscheinlich mit mehr Erfolg.«
Athos begann nun, die Taschen des Mannes abzusuchen. Ich war sicher, dass er nicht viel finden würde, doch schließlich zog er einen Zettel hervor.
»Ah, da haben wir es ja.« Er studierte die Notiz kurz, dann stopfte er sie in sein Wams. »Komm, verschwinden wir von hier.«
»Und was ist mit ihm?« Ich deutete auf die Leiche.
»Der Wirt hat ihn beherbergt«, antwortete Athos eisig, während er einen Blick auf das Wirtshaus warf, dessen Inhaber nicht nach draußen zu kommen wagte. »Dann kann er ihn auch begraben.«
Damit wischte er die Klinge seines Degens an dem Mantel des Toten ab, und nachdem er ihn wieder in die Scheide geschoben hatte, nahm er die Muskete an sich und ging zu seinem Pferd.
Ich starrte auf die Blutlache, die sich unter dem Körper des Mannes ausbreitete, bis ein scharfer Ruf ertönte.
»Na los, Junge! Oder willst du hier noch eine Nacht verbringen?«
Das hatte ich eigentlich nicht vor, also beeilte ich mich, in den Sattel zu kommen.
Einen Tag später erreichten wir Rocroi. Obwohl der Sieg unseres Heeres schon eine Weile her war, konnte man das Grauen des Schlachtfeldes noch erahnen. Der aufgewühlte Boden deutete darauf hin, dass sich darunter Massengräber befanden. Hier und da glitzerte Metall zwischen den Grashalmen.
Ein Schauder überrann mich, als ich glaubte Blut zu riechen.
»Hier entlang!«, rief mir Athos zu.
Ich trieb das Pferd an. Mein Blick war aber noch immer auf den großen Grabhügel gerichtet. Wahrscheinlich lagen darunter auch Musketiere.
Nachdem wir das Schlachtfeld hinter uns gelassen hatten, erreichten wir ein Feldlager. Es gab Zelte jeder Größe, und in der Mitte befand sich ein besonders prachtvolles, das aus blauem, mit goldenen Lilien besticktem Stoff bestand.
»Das ist das Zelt des Général Condé. Benimm dich anständig, wenn du dort bist, sonst lasse ich dich hier bei den Soldaten.«
Ich wollte ihn gerade fragen, wie er das bewerkstelligen wollte, beschloss aber zu schweigen. Noch immer steckte mir das Erlebnis vom Vortag in den Knochen.
Wir lenkten unsere Pferde durch das Lager, wobei ich immer wieder nach Musketieren Ausschau hielt, und blieben schließlich vor dem großen Zelt stehen. Zwei Soldaten versperrten uns den Weg mit ihren Hellebarden.
»Ich bin ein Bote von Kardinal Mazarin. Ich habe Nachrichten für Seine Gnaden.«
Die Soldaten musterten uns kurz, dann begab sich einer von ihnen ins Zelt. Wenig später erschien er wieder und bat uns hinein.
Der große Condé war kleiner, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Er wirkte nicht wie jemand, der irgendwen ängstigen konnte. Am allerwenigsten die Spanier, die ich aus Erzählungen meines Vaters als stolzes und starkes Volk kannte. Doch Général Condé hatte es geschafft.
Athos zog seinen Hut und verneigte sich vor ihm.
»Euer Gnaden, ich habe eine Botschaft für Euch.« Er zog das Portefeuille hervor und reichte es dem General. Dieser brach das Siegel und zog den Packen Briefe hervor.
Athos wartete geduldig, bis der General sich jedes der Schreiben angesehen hatte.
»Schickt den Burschen hinaus«, sagte Condé schließlich, ohne mich eines Blickes zu würdigen. »Ich habe eine Botschaft für Euch, die ich Euch aber gesprochen anvertrauen muss.«
»Wäre es dann nicht besser, wenn er sie mithören würde?«, wandte Athos respektvoll ein. »Es könnte sein, dass wir unterwegs überfallen werden. Er genießt mein vollstes Vertrauen.«
»Je weniger davon wissen, umso besser, lieber soll die Nachricht verloren gehen als in die falschen Hände geraten. Wenn Euer Diener in Gefangenschaft gerät, wird er eher reden als Ihr. Also vertraue ich sie nur Euch an.«
Athos bedeutete mir mit einer Handbewegung, ich solle nach draußen gehen. Ich verneigte mich und freute mich insgeheim, dass er mir sein Vertrauen ausgesprochen hatte.
Als ich vor das Zelt trat, kam eine Gruppe Soldaten vorbei. In ihrer Mitte hatten sie zwei Versehrte. Der eine humpelte auf eine Krücke gestützt voran, der andere hatte einen Verband um den Kopf.
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