Der Lilienpakt
streiften leicht seine Handfläche, als er ihm den Beutel in die Hand drückte. Der Junge löste sogleich die Bänder. Die Münzen, die im Fackellicht glitzerten, waren aus purem Gold! Oder waren sie nur vergoldet?
»Prüfe sie meinetwegen«, sagte der Fremde, als er das Misstrauen des Jungen bemerkte.
Dieser nahm daraufhin eine Münze und biss hinein. Seine Zähne knirschten leicht, als sie sich in das Metall bohrten.
»Die sind echt!«, platzte es aus dem Jungen heraus.
»Was hast du denn gedacht? Wenn du willst, lasse sie noch einmal von deinem Vater prüfen. Aber ich verspreche dir, das ist reines Gold. Es wird euch ein neues Leben bescheren.«
Das hintergründige Lächeln unter der Kapuze bemerkte der Junge nicht.
»Geh jetzt und verliere niemandem gegenüber ein Wort. Vielleicht habe ich irgendwann noch einmal einen Auftrag für euch.«
Damit drängte der Mann den Jungen aus dem Gang und verschloss die Tür. Der Bursche starrte noch kurz auf die eisenbeschlagene Tür, dann kehrte er zu seinem Pferd zurück.
Bis ich wieder zu mir kam, gingen etliche Tage ins Land. Beim Erwachen erinnerte ich mich dunkel an bizarre Fieberträume, kalte Lappen auf meiner Stirn und den Duft von Kamille. Verschwommene Stimmen waren an mein Ohr gedrungen, ohne dass ich die Worte verstehen konnte.
Ich hatte Schmerzen gehabt. Furchtbare Schmerzen in meiner rechten Seite. Wovon? Was war geschehen?
Ich blickte zur Decke meiner Schlafkammer auf, auf die das erste Morgenlicht fiel. Nach und nach erinnerte ich mich an das, was geschehen war.
Athos hatte mich zum Hauptquartier der Musketiere mitgenommen, um mit Monsieur Blanchet zu sprechen. Es war um irgendeine Nachricht gegangen; ich erinnerte mich, dass das Wort ›Entführer‹ gefallen war.
Bevor Athos mehr hatte erzählen können, war Blanchet von einem Bolzen getroffen worden. Vor meinem geistigen Auge tauchte das Bild des blutüberströmten Mannes auf. Athos hatte ihn gehalten und mir zugerufen, ich solle den Feldscher holen.
Dann war auch ich getroffen worden, und alles um mich war in Dunkelheit versunken.
Jetzt war ich wieder in meiner Kammer.
Vorsichtig tastete ich nach der Stelle, an der mich der Bolzen getroffen hatte. Ein dicker Verband lag auf der Wunde. Als ich mich ein wenig herumdrehte, verspürte ich ein Ziehen, aber das war nichts gegen den Schmerz während meines Dämmerzustandes.
Als ich zur Seite blickte, fiel mir ein Blatt Papier ins Auge. Es war eine Seite der Gazette. Offenbar hatte sich Athos mit dem Studium des Blattes die Zeit vertrieben.
Die Überschrift berichtete von einem bedauerlichen Vorfall, der den Totengräber Le Clerk und seinen Sohn ereilt hatte. Ich streckte meine Hand nach dem Blatt aus und ignorierte das Stechen in meiner Seite.
Der kurze Abschnitt berichtete, dass der Totengräber und sein Sohn vor einer Woche tot aufgefunden worden waren. Da der Docteur keine äußeren Wunden finden konnte, ging man davon aus, dass die beiden Männer durch Gift aus dem Leben geschieden waren. Welches Gift, konnte nicht ermittelt werden. Es wurde spekuliert, dass sich Vater und Sohn eventuell gegenseitig umgebracht hatten, im Streit um eine Goldmünze, die einer von ihnen noch in den Händen gehalten hatte.
Ich ließ mich wieder zurück in die Kissen sinken. Was für eine seltsame Geschichte!
Ein plötzliches Schnarchen brachte mich dazu, den Kopf nach links zu wenden.
Athos saß neben mir auf einem Stuhl. Sein Kopf war zur Seite geneigt, Speichel lief in seinen Bart. Ein paar verfilzte Haarsträhnen hatten sich aus seinem Zopf gelöst und fielen ihm über die Schulter. Sein Hemd war fleckig, die Ärmel hochgerollt. Vor ihm stand eine Wasserschüssel. Der Lappen war seiner Hand entglitten und lag halb angetrocknet auf dem Boden.
Der Anblick rührte mich ziemlich. Offenbar hatte er neben meinem Lager gewacht – und das, obwohl ich nur ein Diener war …
Plötzlich traf mich ein Gedanke wie ein weiterer Pfeil.
Wenn ich verbunden worden war, dann … musste Athos auch gemerkt haben, dass ich ein Mädchen war! Gewiss hatte er die Binde um meine Brust nicht dort gelassen, wo sie war!
Ich erhob mich und wollte meine Beine aus dem Bett schwingen, doch plötzlich erfasste mich ein Schwindel. Ich stieß mit den Füßen gegen die Schüssel, worauf es laut schepperte. Dann sank ich wieder auf die Matratze.
Athos schreckte auf. Kurz blickte er sich verwirrt um, dann wandte er sich mir zu. Als er sah, dass ich halb aus dem Bett hing, sprang er
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