Der Lilienpakt
auf.
»Was machst du denn?«, fragte er sanft und besorgt, während er vorsichtig unter meine Beine griff und mich wieder richtig ins Bett legte.
Mein Herz pochte und meine Wunde schmerzte im gleichen Takt. Angst schnürte mir die Kehle zu. Was würde jetzt passieren?
Athos beugte sich lächelnd über mich.
»Schön, dass du wieder wach bist, Mädchen.«
Schön? Wollte er mich verspotten? Immerhin war ich enttarnt worden! Er würde mich gewiss nicht als Diener behalten wollen.
»Ich dachte schon, du würdest sterben, aber offenbar bist du zäh wie ein Esel.«
»Bitte verzeiht, ich …«
»Du hast dich als Junge verkleidet und versucht mich zu täuschen. Ich muss zugeben, dass dir das gelungen ist.« Athos setzte sich nun wieder neben mich. »Der Medikus hat ziemlich gestaunt, als er dich entkleidet hat. Er fragte mich sogar, ob du meine Geliebte seist, die ich als Page bei mir verstecken würde.«
»Was habt Ihr geantwortet?«
»Dass ich keine Ahnung hatte, dass mein Page ein Mädchen ist. Ob er mir das geglaubt hat, steht auf einem anderen Blatt.«
Noch immer schien er mir nicht zu zürnen. Eine andere Frage kam mir in den Sinn.
»Was ist mit Blanchet?«
Athos erstarrte zunächst, dann senkte er den Kopf.
»Ist er …«
»Tot. Ja, das ist er. Obwohl die Wunde an sich nicht tödlich gewesen wäre, konnte ich nichts mehr für ihn tun. Der Feldscher vermutet, dass der Bolzen vergiftet war.«
Obwohl ich ihn nicht gemocht hatte, überkam mich jetzt so etwas wie Trauer. Auf irgendeine Weise war er mit Papa und Athos verbunden gewesen. Würde ich je erfahren, auf welche?
Als ich Blanchet zu Gesicht bekommen hatte, hatte ich noch gefürchtet, dass er mich wiedererkennen würde. Jetzt würde ich nicht umhinkommen, den Rest meines Geheimnisses zu offenbaren.
Athos sah mich eindringlich an. »Wer bist du wirklich? Und wie hast du Garos narren können?«
Ich senkte meinen Blick. »Monsieur Garos wusste, dass ich ein Mädchen bin. Sein Sohn hatte die Idee, mich in der Schmiede zu verstecken.« Ich machte eine kurze Pause, griff in meine Hosentasche und stellte fest, dass der Zettel und der Rubin noch immer dort waren. Nachdem sie festgestellt hatten, dass ich ein Mädchen war, hatten sie wohl darauf verzichtet, mir die Beinkleider auszuziehen. Dann fügte ich hinzu: »Mein Name ist Christine d’Autreville.«
Der Musketier schnappte nach Luft und wich erschrocken zurück. »Das ist eine Lüge!«
»Es ist die Wahrheit.«
»Die d’Autrevilles wurden getötet!«
Jetzt sah ich ihn erschrocken an. Woher wusste er das? Gehörte er zu den Verschwörern?
Nein, beruhigte mich mein Verstand. Er hätte niemanden von der Schwarzen Lilie getötet, wenn er dazugehören würde.
»Meine Eltern und meine Brüder wurden getötet, das ist wahr. Ich bin allerdings entkommen.« Ich verschwieg ihm, dass ich in einem Schrank gesteckt hatte. »Der Degen gehörte einst meinem Vater, er hat ihn mir gegeben, als die Angreifer kamen. Maître Nancy hat mich das Fechten gelehrt. Monsieur Blanchet war bei uns zu Besuch, kurz bevor die Mörder kamen. Er war im Begriff, sich über mein Aussehen zu wundern, als ihn der Bolzen traf. Er hatte mich gewiss wiedererkannt, konnte es Euch aber nicht mehr sagen.«
Ich streckte ihm nun den Degenknauf und den Zettel entgegen. »Dies hier gehört noch zu meinem Degen.«
Athos starrte mich ungläubig an, dann nahm er mit zitternden Händen beides entgegen.
»Der Liliendegen«, murmelte er, während er den Edelstein hin und her drehte. »Die Königin soll ihn dem Bewahrer geschenkt haben.«
»Bewahrer?«, fragte ich, doch er antwortete nicht. Offenbar war er wieder tief in Gedanken versunken.
»Die Lilie des vierten März, geschützt durch den Pakt«, las er schließlich halblaut vor.
»Wisst Ihr, was das zu bedeuten hat?«, fragte ich. »Wenn Ihr das Papier mit der Rückseite ans Feuer haltet, erscheint noch ein Schriftzug.«
Auch meine zweite Frage beantwortete mir Athos nicht. Er drehte den Zettel herum, betrachtete ihn und trat dann neben die Kiste, auf der er einen Leuchter abgestellt hatte. Nachdem er das Schreiben eine Weile in die Nähe einer der drei Flammen gehalten hatte, erstarrte er.
»Verbrennt den Zettel bitte nicht!«, rief ich, denn genau das befürchtete ich.
Athos reagierte nicht. Er betrachtete weiterhin die Schrift, als würde es ihm schwerfallen, sich diesen einen Satz zu merken.
»Es ist nicht zu fassen«, murmelte er in sich hinein und begann dann im Raum auf und ab
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