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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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überschwängliche Dame sandte Valerian Raabe einen koketten Seitenblick und meinte: »Pardon, meine Liebe, habe ich dich bei einem intimen Tête-à-Tête gestört?
Monsieur Raabe! Ich verschwinde gleich wieder.« Sie nickte dem Kommerzialrat spöttisch zu, wandte sich dann aber wieder an Marie-Anna. »Liebelein, komm doch die Tage bei uns vorbei. Wir sind noch am alten Platz.«
    »Frizzi!«
    »Bin schon weg!«
    Valerian Raabe schenkte Marie-Anna einen fragenden Blick, sagte aber nichts.
    Marie-Anna biss sich auf die Unterlippe.
    »Aus welcher Gegend Frankreichs stammen Sie eigentlich, Marie-Anna? Ich habe mich nie danach erkundigt.«
    »Vom Ende der Welt, Herr Kommerzialrat.«
    »Das ist weit entfernt, das Finistère. Also aus der Bretagne. Übrigens könnten Sie mich durchaus auch mit Namen anreden, Marie-Anna, der steife Titel klingt so unnahbar.«
    »Frizzi kam Ihnen demnach schon näher, Monsieur Raabe?«
    Er schmunzelte.
    »Ihnen ist sie ja auch nicht unbekannt.«
    »Monsieur, danach haben Sie ebenso nie gefragt. Aber mir scheint, es wäre besser, wenn ich Ihnen etwas über die Zeit erzählte, die vor meiner Anstellung in Ihrem Hause lag.«
    »Sie müssen es nicht, Marie-Anna. Ich habe schon bemerkt, es gibt da eine Lücke zwischen Ihrer Zeit bei DuPont und dem Tag, da Faucon Sie mir empfohlen hat. Wenn Sie möchten, lassen wir es auf sich beruhen.«
    »Danke, Sie sind sehr großzügig. Aber Begegnungen wie diese...«
    »… machen allerdings ein wenig neugierig.«
    »Es war nicht gerade meine rühmlichste Zeit, Monsieur Raabe. DuPont...«
    »Ich kenne DuPont. Ist er Ihnen zu nahe getreten?«

    »Er versuchte es. Ich habe ihn leider mit einem recht drastischen Mittel von seinen Handgreiflichkeiten abhalten müssen. Das hatte Konsequenzen.«
    »Drastische Mittel?«
    »Ich stieß ihm mein Knie – ähm...«
    »Drastisch, Mademoiselle. Und gewöhnlich wirkungsvoll auf zudringliche Männlichkeit. Madame hat Sie des Hauses verwiesen. Ich verstehe. Und dann?«
    »Arbeitete ich als Hilfsschneiderin im Atelier einer Bekannten. Ich musste es aber verlassen, weil ihr Freund einen mehr als wünschenswerten Gefallen an mir fand.«
    »Sie kamen ihm entgegen?«
    »Nein.«
    Er sah sie mit einem Zwinkern an.
    »Nein. Oder... nun ja, ein wenig.«
    Er sah sie weiterhin an.
    »Na gut, ja.«
    »War es Liebe?«
    »Ein bisschen.«
    »Er hat Ihnen ein gebrochenes Herz beschert?«
    »Ein wenig.«
    »Das ein anderer geheilt hat?«
    »Es heilte von alleine.«
    »Aber Ihren Lebensunterhalt verdienten Sie auf ehrbare Weise?«
    »Ich bin nicht ungeschickt im Nähen, ich fand Beschäftigung in einer Boutique. Dort lernte ich auch Frizzi kennen. Sie vermittelte mir die Stelle als Garderobenschneiderin im Theater in der Schmierstraße. Am Karnevalsabend wurden wir gemeinsam von den Gendarmen gefasst, und drei Tage lang teilten wir uns eine Zelle. Bis der Sous-Préfet mich dann freiließ.«
    »Wie kam er dazu? Befand er Sie für unschuldig?«
    »Er kannte mich von der Zeit bei DuPont als anständiges Mädchen, Monsieur Raabe. Er... es war wohl ein
Akt der Barmherzigkeit. Er wollte mir wieder auf den rechten Weg helfen.«
    »Faucon ist alles Mögliche, aber nicht barmherzig. Er wird Gründe gehabt haben. Aber lassen wir das. Kennen Sie aus jener Zeit auch diesen Markus Bretton?«
    »Sie sind ein erschreckend guter Beobachter. Ja, mit ihm hatte ich vor sechs Jahren eine kurze Affäre, Monsieur. Doch er ist ein Hasardeur.«
    »Ich weiß. Warnen Sie meine Nichte vor ihm. Das wird wirkungsvoller sein, als wenn ich es tue.«
    »Natürlich. Aber Sie machen Geschäfte mit ihm und dulden ihn in Ihrem Haus.«
    »Geschäfte mache ich mit vielen unterschiedlichen Menschen. In meinem Haus dulde ich ihn, da Madame es wünscht.«
    Marie-Anna nickte verstehend. Doch dieses Thema wollte sie nicht vertiefen.
    »Wenn ich es sehr diskret angehe, Monsieur Raabe, dürfte ich dann gelegentlich einmal meine alten Freunde besuchen? Ich weiß, sie sind nicht standesgemäß, aber sie haben mir in schlimmen Zeiten sehr geholfen.«
    »Sehr diskret dürfen Sie das tun. Und was Sie dort ohne Zweifel erfahren werden, Mademoiselle, muss ich Sie bitten, ebenfalls sehr diskret zu behandeln.«
    »Selbstverständlich, Monsieur.«
    Er nahm ihre Hand und küsste sie.
    Ausgerechnet in diesem Augenblick sah Ursula zu ihnen hin.
     
    »Wir müssen es ihm mitteilen, Rosemarie!«
    »Ja, ja, du hast ja Recht. Aber wenn er uns die Schuld gibt? Die Kästen stehen seit drei Tagen hier bei

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