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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Dank, das war es nicht. Es war auch nicht englisch oder französisch, Mademoiselle.«
    »Oh, dann wird es die Sprache meiner Heimat gewesen sein. Ich fürchte, wenn ich mich sehr alteriere, falle ich in sie zurück.«
    »Und was hast du gesagt, Marie-Anna?«
    »Das übersetzen Sie dem Kind bitte nicht.«
    Als er gegangen war, lag Graciella auf den Knien und lockte das kleine Kätzchen mit sanftem Gurren und einem Wurstzipfel hinter den Holzscheiten hervor. Es ließ sich besänftigen und klebte dann wie eine Pelzbrosche an der Schulter des Mädchens und schnurrte.
    »Papa ist wundervoll, nicht?«
    »Ja, er war formidable.« Marie-Anna kicherte, als sie an Berlindes fassungslosen Blick dachte, als er mit der Schere auf sie zuging. »Er erinnerte mich an meinen Vater.«
    »Wie war dein Papa?«
    »Eigentlich ganz anders als deiner, nicht so vornehm, nicht so beherrscht und maßvoll. Er arbeitete mit seinen Leuten auf den Feldern, sang laute Lieder dabei, manchmal nicht ganz anständige, polterte immer gleich los, wenn ihm etwas nicht passte. Mir hat er auch das eine oder andere Mal kräftig den Hintern versohlt, wenn ich zu ungestüm war. Aber er hat mir nie die Flügel beschnitten, und über unsere Kinderstreiche hat er oft herzhaft gelacht, während andere vor Empörung geschnaubt haben.«

    »Warum meinst du trotzdem, dass er Papa ähnelt?«
    »Weil ich den Verdacht habe, dass der Sinn für Humor bei beiden gleich stark ausgeprägt ist.« Auch das heiße Blut, dachte sie bei sich. Aber das sagte sie nicht laut. Dafür bemerkte sie mit Genuss: »Brior, der Schwarze hätte Berlinde allerdings wirklich mindestens ein Ohr abgeschnitten!«
     
    Drei Tage lang waren der Baumeister Berolf und zwei Gesellen damit beschäftigt, die richtige Stelle auszusuchen, wo das Badehaus entstehen sollte. Sie fachsimpelten über Bodenbeschaffenheiten, Mauerdurchbrüche und vor allem über die Umleitung des Bächleins, das derzeit munter durch die Gärten plätscherte. Dieses kleine Gewässer sollte in einem Rohrleitungssystem eingefangen werden und die Versorgung der Becken sicherstellen. Auch ein Badeofen und ein Schwitzraum sollten entstehen. Großvater Raabe beteiligte sich ebenfalls mit großem Interesse an dem Vorhaben und diskutierte über Marmorfliesen und Granitwannen, Tonröhren und Drainagen.
    Am Ende der Woche verabschiedeten sich die Fachleute und versprachen, in zehn Tagen mit den fertigen Plänen und einem kleinen Trupp Arbeiter zurückzukehren.

23. Kapitel
    Das Grab des Römers
    Sie begannen in der zweiten Augustwoche damit, den Boden hinter dem Haupthaus aufzugraben. Grandmère hatte wohl oder übel einen Teil ihres Gemüsegartens opfern müssen. Doch Marie-Anna, Rosemarie und Graciella hatten sorgsam alle Tomatenpflanzen, Buschbohnen, Erbsen und den Blumenkohl ausgegraben und umgebettet, die reifen Kürbisse geerntet und geholfen, sie einzulegen, und aus den geopferten Zwiebeln eine köstliche Quiche gebacken. Marie-Anna und Helga stellten die Tische unter den alten Bäumen im Garten auf, an denen sie verspeist werden sollte. Auch die drei kräftigen Gesellen, die ein lang gestrecktes Rechteck ausgruben, in das die Fundamente des Badehauses gelegt werden sollten, würden bei dem gemeinsamen Essen mithalten. Valerian Raabe, sein Vater und der Baumeister saßen über den Plänen und kalkulierten. Die Ziegel, die passende Menge Mörtel, die Holzbalken, die Schieferleyen mussten beizeiten beschafft werden. Der Baumeister übernahm diese Aufgabe, während der Kommerzialrat sich um die Fliesen, Wannen und Armaturen kümmern wollte.
    »Meister!«
    Einer der Arbeiter trat zu den dreien hinzu.
    »Was gibt es?«
    »Wir haben etwas Seltsames entdeckt, Meister Berolf. Schauen Sie sich das bitte mal an.«
    Sie gingen zu der Grube und schauten nach unten. Die fruchtbare Krume reichte beinahe einen Meter tief,
dann aber waren sie auf Lehm gestoßen. Doch nicht nur das – es gab auch eine steinige Lage, die das Graben unmöglich machte.
    »Das ist kein Naturstein«, stellte der Baumeister fest.
    »Nein, das sieht aus, als sei es gemauert.«
    »Valerian, das könnte ein Teil der ursprünglichen Fundamente sein, auf denen dieser Hof gebaut ist.«
    »Möglich, Vater. Obwohl...«
    Valerian Raabe ließ sich eine Hacke geben, beugte sich nieder und lockerte vorsichtig den Lehm um die Steinsetzung.
    »Das sieht aus wie eine Treppenstufe. Hier, etwas tiefer kommt die nächste.«
    Inzwischen waren auch Marie-Anna und Rosemarie herbeigekommen

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