Der Lilith Code - Thriller
Rezeption etwas mitbekam, in den Fahrstuhl gehuscht.
Das Zimmer lag am Ende des Flurs. Sie blickte sich hektisch im Zimmer um, sah das Fenster. Es war ein Schiebefenster. Der Servicewagen stoppte vor der Tür, Männer sprachen miteinander. Leise wandte sie sich zum Fenster, zog es hoch,sah hinunter und blickte in einen Abgrund von mindestens zehn Metern – zu tief. Neben ihr brummte ein großer Metallklotz – der Kondensator der Zimmerklimaanlage. Sie warf sich den Rucksack über, drehte sich mit den Füßen zuerst nach draußen und wand sich mit großer Mühe auf den Kasten. An der Wand lehnend, versuchte sie mit ihrem linken Fuß das Fenster nach unten zu drücken. Unmöglich. Sie verlor dabei fast den Halt. Sie hörte, wie im Zimmer die Tür geöffnet wurde. Sie atmete flach, drückte sich noch enger an die Wand. Der Metallkasten knarzte. Bachmeier war wirklich nicht schwer, aber für solche Aktionen war die Vorrichtung schlicht nicht konstruiert. Sie wich weiter nach rechts aus und stutzte. Mittlerweile musste der Servicetyp den scheinbar schlafenden Mann doch sehen und sich entschuldigend zurückziehen. Aber stattdessen hörte sie Schleifgeräusche, dann wurde etwas durchsucht. Und als sie dachte, dass der Besucher das Zimmer verlassen hätte, sah sie aus den Augenwinkeln, wie im Fenster ein maskierter Kopf erschien.
Er blickte nach unten, verschwand für wenige Sekunden, und im nächsten Moment sah sie den schlaffen nackten Oberkörper des Schamanen, beobachtete, wie er weiter und weiter nach vorne geschoben wurde, wie der Metallrahmen über die runzlige Haut des Unterbauchs schrubbte. Sein langes strähniges Haar wurde von der Umluft des Kondensators zur Seite geweht, seine Zunge hing ihm aus dem Mund, Speichel lief heraus. Zwei sehr kräftige Unterarme hielten die Beine des Italieners. Im nächsten Moment ließen sie los, und Marcello Barbona stürzte in die Tiefe, um wenige Sekunden später auf dem Boden des Hofes aufzuschlagen.
Regina Bachmeier verharrte noch einige Minuten völlig bewegungslos. Das fahle Licht aus den benachbarten Häusern ließ den unnatürlich verrenkten Körper grotesk wie ein Kunstwerk erscheinen. Mittlerweile war der Mond aufgegangen. Sie blickte sich um. Es gab nichts, woran sie sich festhalten konnte. Sie war hier oben gefangen, wollte sie es nicht dem Mondfreund gleichtun. Links unter ihr, etwa anderthalbSchritte entfernt, war ein weiterer Kondensator befestigt – ihre einzige Chance. Sie schloss kurz die Augen und sprang. Sie hatte schon mit beiden Füßen das Metall erreicht, als der Kasten unter einem hässlichen Geräusch aus seiner Verankerung riss. Sie konnte nicht mehr reagieren, mitsamt dem Metallblock rauschte sie nach unten. Der Block prallte auf einen weiteren, was die Geschwindigkeit zwar bremste, den Sturz in die Tiefe dennoch nicht aufhielt. Dann schlug die Frau am Boden auf. Sie konnte sich noch abrollen. Aber der Schmerz war sofort da, raubte ihr fast das Bewusstsein. Ihr Kopf lag auf dem von Abfällen übersäten Hof. Sie schaute direkt in das Gesicht des Schamanen oder in das, was davon übrig geblieben war.
Zuerst versuchte sie, ihre Zehen zu bewegen; es tat weh, aber immerhin spürte sie diese Gliedmaßen noch. Dann waren die Hände an der Reihe. Ein ungeheurer Schmerz durchzuckte sie, als sie ihre Finger bewegte. Sie verzog das Gesicht, spürte, wie ihr die Tränen kamen.
Verdammt! Regina Bachmaier öffnete ihre Augen, blickte auf ihre rechte Hand: Deren Fingerspitzen berührten fast die Oberseite des Unterarms.
Sednaya, 14. 06., 8.45 Uhr
Laut Islam-Experte Steinberg hat das Kanzleramt 2002 die Befragung des terrorverdächtigen Deutsch-Syrers Zammar in einem syrischen Gefängnis genehmigt. Dabei war bekannt, dass Folter von politischen Gefangenen in Syrien eher die Regel als die Ausnahme ist …
Aus: Süddeutsche Zeitung, 14. 12. 2007
Faruk Nasser Al-Ali hatte immer Geduld. Es war seine Haupttugend. Ärzte raubten ihm zwar die Zeit, die er nicht hatte, aber er ließ es sich kaum anmerken. Der Distriktchefdes syrischen Geheimdienstes Muhabarat spielte lediglich etwas zu vehement mit seiner Holzkette, so dass nur seine Mitarbeiter von der Unruhe angesteckt wurden. Zwei junge Rekruten in verfilzten Uniformen boten ihnen Tee an, er schüttelte nur unmerklich den Kopf. Al-Ali war schlank, fast hager. Aus dem Gesicht stach eine spitze Falkennase. Sein feiner Mund mit schmalen Lippen ließ ihn zart erscheinen und deutete nicht daraufhin, dass
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