Der Lilith Code - Thriller
wird mit sofortiger Wirkung suspendiert.
Die Wiener Polizei wird gleich von mehreren Skandalen erschüttert – es geht um Bestechlichkeit, Verrat und eine schießwütige Beamtin mit intimen Kontakten zur Rotlichtszene. Rückblick: Vor einer Woche hatte das Sonderkommando der Wiener Kripo unter Leitung der Oberinspekteurin Regina B. das Etablissement »Cappuccino« gestürmt.Nach Monaten der Observation glaubte man, den langjährig gesuchten serbischen Kriegsverbrecher und Zuhälter Enver M. aufzugreifen. Doch dessen Bodyguards dachten überhaupt nicht daran, sich widerstandslos festnehmen zu lassen. Nach wenigen Sekunden mündete der Zugriff in einer wilden Schießerei auf offener Straße. In deren Verlauf kam es dann zu der mittlerweile durch das Video einer Überwachungskamera dokumentierten »Hinrichtung« des Serben durch die Leiterin Regina B. Die Bilder zeigen, wie die Siebenunddreißigjährige über dem Täter steht und ihn mit mehreren Schüssen tötet. Enver M. lag bereits verletzt und wehrlos auf dem Boden. Besonders schlimm: Eine Gruppe Kleinkinder, die mit ihrer Erzieherin einen Ausflug machten und in die Schießerei gerieten, musste die Hinrichtung aus nächster Nähe mit ansehen. Ein Kriseninterventionsteam aus Psychologen kümmert sich immer noch um die verstörten Buben und Mädchen.
Aus Sicherheitskreisen wurde bekannt, dass die Oberinspekteurin ihr Magazin komplett leer geschossen hatte. Die ehemalige »Kobra«-Mitarbeiterin musste heute ihre Dienstwaffe und Uniform abgeben und hat mit sofortiger Wirkung Hausverbot im Polizeihauptquartier. Der Innenminister sprach von einem unhaltbaren …
»Die Woche«, Wien, 27. Oktober 2009
»Er lag vor mir, hatte seinen Mantel geöffnet und zwei Handgranaten in der linken Hand, er wollte gerade mit der rechten Hand die zwei Verschlussringe ziehen. Man kann das auf den Bildern nicht sehen. Ein Auto verdeckte den Serben. Und um sicherzugehen, dass er nicht im letzten Augenblick doch noch reagieren konnte, schoss ich. Da waren überall Kinder. Ich wollte …« Regina stockte, schaute nach draußen. »Na, jedenfalls danach drehte ich mich um, wurde angeschossen. Im Rettungswagen dann eröffnete man mir, dass beim Täter keinerlei Waffen oder gar Handgranaten gefunden wordenwaren. Irgendjemand hatte sie entfernt. Das hat mir den Job und, wenn du so willst, mein Leben genommen.«
Wie eine große, unsichtbare Welle rollten die Rufe der Muezzine über die Dächer der Stadt herein. Die Nacht brach an. Jan und Regina hörten nicht auf zu reden, es war für beide eine Erlösung.
Aleppo, 16. 06., 7.15 Uhr
Und seit jeher war es so, dass die Liebe erst in der Stunde der Trennung ihre eigene Tiefe erkennt.
Aus: Khalil Gibran »Der Prophet«
Am nächsten Morgen wachte Jan allein im Bett auf. Er tapste zum Bad, schaute aus dem Fenster und sah Regina schon unten bei einem reichhaltigen Frühstück. Er duschte in seinem Zimmer, zog sich saubere Kleidung über und ging die Treppe zum Innenhof hinunter. Regina las im Tagebuch. Sie hatte sich die Haare wieder zu einem Pferdeschwanz gebunden und sprach ihn an, ohne zu ihm zu blicken. »Was habt ihr eigentlich mit den Männern im Crac gemacht?«
Sofort verschwand Jans angenehmes Gefühl. Er wollte Eduards Morde nicht verraten, so gut kannte er Regina nun auch nicht.
»Sie sind geflohen.«
Regina setzte nach – allerdings mit vollem Mund, ein Croissant verspeisend. »Die sind ja wohl nicht einfach weggelaufen, nur weil ein Holländer und ein Deutscher hereinspazieren?«
Jan verschränkte seine Arme vor der Brust. »Was willst du von mir?«
»Auf dich aufpassen.« Sie schob das Tagebuch zu ihm. »Hier steht etwas von deinem Freund.«
Das konnte nicht sein.
Sie las vor: »›Heute Holländer wieder getroffen, will unbedingt …‹ Das kann ich nicht entziffern. ›… er nennt sich Eduard, will mit mir nach … zum Platz, ich lehne das … ab, er ist nicht erleuchtet … stimmt nicht … sein … Zeichen sind falsch.‹«
Jan erbleichte. »Es gibt bestimmt etliche Holländer mit diesem Namen«, versuchte er sich eher selbst zu beruhigen.
Regina schaute ihn fast mitleidig an. »Was ist da im Crac passiert? Versuch mir bitte zu vertrauen.«
»Du meinst, nach diesen wundersamen Vorfällen mit Eduard soll ich dir vertrauen?« Jan stand auf. Er spürte, wie er wütend wurde. Er konnte nicht glauben, dass hier jeder nicht der war, der er zu sein vorgab. Je länger er blieb, desto mehr geriet er in einen Strudel, dem er
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