Der Lilith Code - Thriller
gelangen.
Regina winkte ein Taxi heran und nannte dem alten Fahrer die Adresse des Busbahnhofs.
»Was, meinst du, sollen wir machen?«, fragte sie plötzlich.
Jan war von dieser Frage überrascht. Bisher hatte Regina so gewirkt, als wüsste sie immer, was zu tun war. »Wir sollten zur Grenze, so schnell wie möglich.«
»Da werden sie jetzt über uns Bescheid wissen.«
Jan verstand. Regina wollte zu dem Imam.
»Na, dann fahren wir nach Manbej«, stöhnte er.
Am Busbahnhof, der weit außerhalb der Stadt lag, fragten sie sich durch, um die schnellste Verbindung zu bekommen. Sie wollten bei Tageslicht die Wüstenstadt erreichen. Jan hatte schon in Deutschland etwas über diese Stadt gelesen.
Eine Stunde später saßen sie zwischen wettergegerbten Nomaden, tief verschleierten Frauen und jungen Rucksackreisenden im Bus nach Manbej. Vorn, oberhalb des Fahrers lief ein indisches Video, draußen wurde das Land gelblichbraun. Ziegenherden zogen auf abgeernteten Weizenfeldern vorbei. Olivenbäume säumten die Straße. Die Gegend wirkte fruchtbar, was an der Nähe zum Euphrat lag, der nur wenige Kilometer östlich von der Türkei durch Syrien in den Irak floss. Trotz Belüftung wurde es warm und stickig im Bus.
Draußen flimmerte die Hitze über dem grauschwarzen Asphalt. Jan kramte in seinem Rucksack und holte ein Fläschchen Kölnisch Wasser heraus. Er spritzte es in seine Hände, verrieb es über sein Gesicht und bot es Regina an, die es skeptisch schmunzelnd annahm. Er deutete nach links. Sie reichte es weiter zu den Sitzen neben ihnen, die von zwei älteren Herren besetzt waren. Diese nahmen dankbar an, nickten knapp und rieben sich ein. Und nach wenigen Minuten roch der Bus nach westdeutscher Vorstellung von Sauberkeit. Jan war zufrieden. Dieser Geruch beruhigte ihn schon seit seiner Kindheit. Seine Mutter hatte ihm jedes Mal Kölnisch Wasser unter die Nase gerieben, wenn er reisekrank zu werden drohte.
Regina schlug das Tagebuch auf, während Jan aus dem Fenster schaute. Sie fuhren durch kleine Dörfer mit Häusern, die die Form eines Bienenstocks hatten. Jan hatte ähnliche Bauten auf Sardinien im Urlaub mit der Familie gesehen. Trauer erfasste ihn.
Die Verfasserin des Tagebuchs hatte ihre Notizen über diese Stadt in kleinster Schrift ausgeführt. Manbej lag am westlichen Rand eines der ältesten Kulturgebiete, in Mesopotamien. Die Region heißt Djazira, das »fruchtbare Land«. Vormehr als dreitausend Jahren herrschte dort eine Hochkultur, war es die Schnittstelle zwischen Babylon und der Levante, den Aramäern, Phöniziern und dem alten Israel im Süden sowie den Hethitern und später den Assyrern im Norden. Einst trug die Provinzhauptstadt Manbej den griechischen Namen Hierapolis und war Mittelpunkt des Dea-Syria-Kultes, eines Glaubens an die Göttin Ischtar und ihren Mann Baal Hadad. Der Name war mehrfach umkreist. Almut hatte dahinter die Worte »Kastration«, »Tempelprostitution« und in großen Buchstaben »Opfer« notiert.
Auf der nächsten Seite folgte eine Skizze, die wohl einen Tempelbezirk beschrieb. Daneben fanden sich wieder scheinbar zusammenhanglose Buchstabenreihen.
Jan tippte Regina an, sie schaute auf. Der Bus wurde langsamer, als sie einen Anstieg hochfuhren. Auf der Kuppe der Anhöhe drehte sich eine sandfarbene Radaranlage. Mehrere Zäune schützten sie, und in allen vier Richtungen waren Panzer und Flugabwehrbatterien postiert. Kaum blickten sie wieder nach vorn, sahen sie die Straßensperre. Natürlich, wie konnten sie so naiv sein?
Regina fluchte. Die Suche nach ihnen war sicher nicht auf Aleppo beschränkt worden. Nach ihren Berechnungen waren sie nur wenige Kilometer von Manbej entfernt. Mit einem Zischen und Quietschen blieb der Bus vor den Sperren stehen. Die Tür wurde geöffnet, heiße, trockene Luft wehte herein. Zwei junge Soldaten stiegen ein und sprachen mit dem Fahrer. Jan schwitzte. Er wollte so unaufgeregt wie möglich wirken. Aber die Kalaschnikows der beiden Soldaten ließen ihn nervös werden. Ein Tropfen Schweiß lief ihm in einer langen Bahn vom Hals den Rücken hinunter. Die Männer schritten langsam und mit grimmiger Miene durch den Bus. Jetzt waren sie noch drei Reihen entfernt.
Ohne Regina anzusehen, fragte Jan: »Hast du einen Plan?«
Sie legte ihm die Hand auf das Bein, hob die Finger,knöpfte mit der anderen Hand ihr Hemd weit auf, so dass ihr BH zu sehen war, und stand auf. Er wollte sie noch festhalten, aber da blickten die Soldaten schon in ihre
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