Der Lilith Code - Thriller
so ’ne Art James Bond oder was?«
Nach Rücksprache mit seinem Vorgesetzten ließ der Offizier für die beiden frische, nach Mottenpulver riechende Armee-Trainingsanzüge bringen und veranlasste, dass Regina und Jan in einem Militär-Lkw noch in der Nacht nach Gaziantep, der Provinzhauptstadt, gebracht wurden. Dort sollte die Staatspolizei sich um den Fall kümmern.
Jarabulus, 17. 06., 23.44 Uhr
Ich singe dem Herrn ein Lied, denn er ist hoch und erhaben. Rosse und Wagen warf er ins Meer.
Meine Stärke und mein Lied ist der Herr, er ist für mich zum Retter geworden. Er ist mein Gott, ihn will ich preisen; den Gott meines Vaters will ich rühmen.
Der Herr ist ein Krieger.
Altes Testament, Buch Exodus, Kapitel 15, 1–3a
Elijah drehte in ruhigen, aber schnellen Bewegungen den Lauf seines IMI-Galatz-Sniper-Gewehres aus der Führung. Er hatte gewartet, bis das Metall sich abgekühlt hatte. Sie suchten auf der anderen Seite hektisch nach dem Schützen, das wusste er. Aber hier oben, am östlichen Hochufer des Euphrats, würden sie erst suchen, wenn er schon wieder im Auto nach Damaskus saß. Seine Galatz, wie er sie fast zärtlich nannte, hatte ihn seit seiner zwanzigmonatigen Ausbildung in der »Einheit« bis heute begleitet. Er schätzte ihre Präzision und ihre Robustheit. Die »Einheit«, wie sie in Israel seine Spezialeinheit »Sajeret Matkal« ehrfurchtsvoll nannten, hatte in ihm den besten Sniper seit Jahrzehnten gefunden. Seit dem Desaster 1974 in der Schule von Ma’alot hatten sich die Ausbildungsformen verändert. Einer seiner Kameraden hatte einen Geiselnehmer nur schwer verletzt und nicht töten können, die Schule war mit Sprengfallen versetzt, die der Palästinenser kurz vor seinem Tod noch alle zünden konnte. Elijahs Schwester Aviva starb im nachfolgenden Feuergefecht – wie 21 andere Kinder auch. Es war der Tag, an dem der zehnjährige Elijah Cohen entschied, sein Leben dem Militär zu weihen.
Er schüttelte den Dornenstrauch von seinem Kopf, wischte die Zweige und anderes Gestrüpp zur Seite und robbte langsam nach hinten. Vier Schuss, vier finale Treffer, drei Menschen und ein Hund auf einer Distanz von 300 Metern bei Rückenwind und über nassem Grund, dazu Ziele aufeinem schwankenden Boot. Elijah hatte mit seinen 45 Jahren sicher schon die Obergrenze für solche Einsätze der »Einheit« erreicht. Aber hier in Syrien war er noch die Nummer Eins, auch wenn es dem alten Shlomo nicht passte. Er robbte noch weiter zurück, drehte sich dann und kroch durch das Schilf. Er hatte das Nachtsichtgerät noch eingeschaltet, und so konnte er die Wagenkolonne sehen, die vom Dorf hier heraufkam. Seinen Geländewagen hatte er in einem verlassenen Hirtenhäuschen untergestellt, etwa 300 Meter entfernt, sie würden ihn nicht entdecken.
Die Kolonne stoppte. Elijah lag auf einem breiten Ast eines Olivenbaumes, sein Nachtsichtgerät war eingeschaltet, seine Galatz trug er jetzt auf dem Rücken. Mit ihrer Einzelfeuereinstellung hätte sie nicht den gleichen Wirkungsgrad wie die MK46, eine modifizierte Version des M16-Maschinengewehrs, das er vor sich auf dem Ast fixiert hatte. Tausend Schuss konnte sie pro Minute abfeuern und ein heilloses Durcheinander anrichten, in dessen Verlauf man sich relativ sorglos zurückziehen konnte. Es waren vier Fahrzeuge, drei Jeeps russischer Bauart und ein alter Lkw aus DDR-Beständen. Er drehte am Fokus seines Nachtsichtgeräts und konzentrierte sich auf eine Person, die er kannte: Faruk Al-Ali. Der Syrer stieg aus dem Jeep, und während um ihn herum alle Soldaten hektisch ihre Gewehre und Pistolen in Anschlag nahmen, laut Befehle riefen, blieb das Falkengesicht einfach stehen, hob den Kopf, als ob er eine Witterung aufnehmen würde. Elijah kannte die Akte des Mannes, hatte sie immer wieder gelesen und wusste um dessen Gefährlichkeit. Er war nicht wie sein Chef, der Metzger. Er war weitaus gefährlicher. Und jetzt befand er sich nur wenige Meter von ihm entfernt und ging Richtung Ufer.
Elijah folgte ihm mit dem Lauf des Maschinengewehrs. Sein Finger suchte den Druckpunkt des Abzugs. Diese Spezialanfertigung hatte im Gegensatz zur Standardwaffe auch eine Stoßfeuereinrichtung. So würde ein kurzes Zucken genügen.
Al-Ali stand am Rand des Hochufers, blickte hinunter auf den Fluss, der bleich seine Wellen in den Süden trieb. Ein Schlauchboot hatte längsseits des Schnellbootes festgemacht.
Der Syrer bückte sich, wischte den Dornenbusch beiseite. Seine Augen suchten
Weitere Kostenlose Bücher