Der Lilith Code - Thriller
Religionen wie ein Fisch das Wasser. Erst Not, Elend und Druck von außen machen diese Gruppen stark. Die Politik hingegen nutzt in allen Ländern diese Gruppen für ihre Ziele. Die Mehrheit der Menschen auf beiden Seiten der Grenzen denkt undträumt anders, sie sieht sich nicht auserwählt oder dazu bestimmt, mit einem Sprengstoffgürtel in das Paradies zu treten. Sie wollen heiraten, Kinder großziehen und am Wochenende zum Picknick an den See Genezareth, auf eine Insel im Nil oder in die kühlen Berge des Libanons fahren. Diese schweigende Mehrheit wird gern vergessen in der Beurteilung der Region. Und so waren auch Al-Ali und Elijah von Staats wegen Feinde, die sich ewig bekämpfen mussten. Aber die andauernde Nähe zum Feind, das Ausforschen der Gewohnheiten und Überzeugungen hatten beide nach Jahrzehnten verändert. Sie kannten sich, ohne sich jemals unterhalten zu haben.
Jeder hatte ein Dossier über den anderen studiert. Auch wenn sie nie wussten, wo der andere steckte, welchen Auftrag er gerade hatte, so war beiden die Existenz des anderen stets bewusst.
Und jeder hatte seine Vergangenheit mit dem Land des anderen.
Nach Jahrzehnten der Feindschaft waren die beiden des Kampfes müde. Jan hatte den Eindruck, während er die beiden beim Zubereiten eines zweifelhaften syrisch-israelischen Gerichts beobachtete, als ob da zwei erschöpfte Boxer am Herd standen, die nach zehn Runden verbissenen Kampfes ihre Pause haben wollten. Al-Ali hatte die anfänglich kritische Situation entschärft, indem er eine große Tüte mit arabischen Lebensmitteln auf den Tisch gelegt hatte. Dann zog er seine Waffe, die ihm in der syrischen Botschaft übergeben worden war, legte sie neben die Tüten und sagte: »Ich komme nicht als Feind. Wir sind auf neutralem Boden und haben die gleichen Interessen.«
Langsam streckte er dann Elijah eine Hand entgegen. Der Israeli zögerte, dann nahm er sie. »Mein Freund, wo sind wir gelandet? Hier essen sie nur Schweinefleisch. Die Ungläubigen sind weit davon entfernt, eine gute Küche zu haben.«
Jan stöhnte auf, aber Regina musste lachen.
Dann kochte der syrische mit dem israelischen Geheimdienst in der Küche eines deutschen Arztes unter Aufsicht einer österreichischen Polizistin. Al-Ali kümmerte sich um die Vorspeisen, während Elijah eine Rauchpause einlegte. Auf dem großen Holztisch sortierte er die im Orient üblichen Zutaten. Orangenblütenwasser, Minze, Safran, Koriander und Harissa, die Gewürzpaste mit Kreuzkümmel und Pfefferschoten, das leicht säuerliche Gewürz Sumak, in Salzwasser eingelegte Weinblätter und Burghul, den groben Weizen. Schon wenige Sekunden nachdem er die ersten Dosen geöffnet hatte, wurde die Küche mit den schönsten und sonderlichsten Düften der Levante erfüllt. Faruk kochte Jasar bi bharat, gewürzte Möhren. Stumm hielt er Regina ein Messer und die Karotten hin, die sie auch brav und ohne Murren in Scheiben schnitt. Er warf in die in Öl schwimmenden Möhren dann Chilischoten und gab nach einigen weiteren Zutaten noch einen Schuss des bitteren Orangenblütenwassers hinzu. Muhammara ist eine Walnuss-Paprika-Paste mit äußerst scharfen Chilischoten. Sie sollte zum Fladenbrot gereicht werden, das er mit leichter Hand im Ofen fertigte. Dann widmete sich Elijah dem Hummus. Al-Ali behauptete zwar, das sei nun wirklich eher arabisch. Dieser Einwand aber brachte Elijah dazu, leidenschaftlich über den Unterschied der aschkenasischen, also ostjüdisch-europäischen, und der sephardischen, der orientalischen Küche zu reden.
Faruk lachte. »Ihr Juden könnt nur streiten, aber nicht kochen, fiese Gurken und pappige Pastrami-Sandwiches, gern auch ein stinkender Karpfen. Das ist eure Küche und gleichzeitig euer Problem.« Er schaute kopfschüttelnd zu, als Elijah die von ihm sauber gekneteten Kibbeh, scharfe Lammfleischklöpse, in das siedende Öl legte.
Die Küche wurde von fettigem Dampf erfüllt. Als ob das nicht reichen würde, rauchten alle bis auf Jan. Faruk hatte sogar eine Shisha aufgetan. Und so blubberte das Wasser im Kessel, Minzplättchen kokelten im Brenner, und der Syrer zog langsam und genüsslich am Mundstück der Wasserpfeife,während die Fleischbällchen im Fett schwammen. Irgendwann öffnete Elijah den Wein. Alles wirkte friedlich. Und doch kreisten bei jedem die Ereignisse der letzten Stunden im Kopf.
Regina hockte auf dem Fenstersims und blies ihren Rauch an die Decke. »Was war das heute am Institut? Wer verfolgt uns? Ihr zwei
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