Der Lilith Code - Thriller
Villen an der Côte d’Azur und andererseits der Vermittlung alter SS-Ausbilder für das syrische Militär. Mit diesem Geld, seinem Netzwerk der HIAG, der »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Waffen-SS«, das er mit einem weiteren Freund als Strohmann in Deutschland gegründet hatte, konnte Fischer schon schnell eine jedem Regime freundliche Position aufbauen. Sie ermöglichte die ihm so wichtige Anonymität, aber eben auch weitreichende Verbindungen zu allen wichtigen Vertretern der arabischen Nomenklatura im Nahen Osten. Selbst Nasser, der alte ägyptische Pharao, hatte seinen Rat gewollt. Und als Assad gegen Nasser und die erste Arabische Union geputscht hatte, hatte er sich dem neuen Herrscher erfolgreich angedient. Erst Sadat erwies ihm nicht die Ehre. Dafür hatte er dann auch die Quittung erhalten.
So konnte Fischer ab 1971 beim Aufbau der Spezialtruppen maßgeblich Wolff, den alten Waffen-SS-Kameraden, und seine Freunde ins Spiel bringen. Der Jom-Kippur-Krieg mochte im Westen als eine Niederlage der Araber gesehen werden. Aber diese Spezialeinheit, ausgebildet und teilweise auch angeführt von deutschen Wehrmachtsoffizieren, konnte im Oktober 1973 einen spektakulären Sieg verzeichnen. Eine Kommandoeinheit der Fallschirmjäger brachte auf dem Berg Hermon auf den Golanhöhen eine Anlage des israelischen Militär-Geheimdienstes Aman unter ihre Kontrolle. Es war ein Schatz, denn das Equipmentwar neu, ließ nachhaltige Rückschlüsse über Technik und Logistik der Israelis zu und machte die Sondereinheit in Syrien zum Helden. Hier in Lattakia hatte sie ihren Sieg gefeiert wie einst an der Ostfront, wo Otto Kumm unter General von Manstein den letzten großen Sieg der Wehrmacht im Osten einfahren konnte. Aber nach dem Jom Kippur wurden die großen Kriege nicht mehr geführt. Erst in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts waren die Dienste der SS bei der Niederschlagung der Islamistenaufstände in Homs letztmalig gefragt gewesen. Auch hier kamen Fischer seine Verbindungen zu Veteranen des Warschauer Ghettokampfes zugute. Und eben nicht nur in Syrien. Selbst der Iraker Saddam erhielt trotz tiefer Abneigung zum Syrer Assad Unterstützung sowohl in der Kurdenfrage als auch beim Aufbau des Geheimdienstes.
Fischer war nie wählerisch, wenn es um sein Ziel ging, das allgegenwärtige Chaos. Das war Lilith – Tod und Hass und Anarchie und ständige Leidenschaft statt fader Harmonie und langweiliger Balance. Lilith war für seine Anhänger eine Quelle, aus der viele, zum Teil weit entfernte Felder über versteckte Kanäle gespeist wurden. Aber er, Fischer, kontrollierte sie im Namen der Göttin.
Fischer trank mit geschlossenen Augen den Hibiskustee aus seiner Heimat und dachte an die Anfänge des Kults.
Zweimal war sie ihm hier ganz in der Nähe auf dem Ruinenfeld in Ugarit erschienen. Ihre Kraft und ihre Schönheit ließen ihn brennen, um den Kult zu einer unbekannten, aber umso größeren Idee werden zu lassen.
1958 hatte er sich drei Nächte vor Vollmond auf das Ruinenfeld von Ugarit zurückgezogen. Er hatte tagsüber auf den Resten des Baaltempels geschlafen und nachts die Innereien aus der Kühlbox verbrannt, die Gudrun ihm mitgegeben hatte. Am letzten Tag, als die dritte Leber auf der Kupferplatte lag, konnte er sie spüren. Während der heimlichen Ausgrabungen 1942 waren er und Wiligut auf die Tontafeln in Ugarit, nicht weit von Lattakia, gestoßen. Vierzehn Jahrezuvor hatte ein Bauer beim Pflügen Grabkammern entdeckt, aber die internationale Forschung war nicht sehr daran interessiert. So ruhte der Fund mehr als ein Jahrzehnt, ehe Fischer mit seinem Grabungsteam erschien. Er musste die Keilschriften nicht mühsam erlernen. Er fand es erregend, dass jede Tafel, die sie bargen, von ihm wie ein Buch zu lesen war. Allerdings wollte er sein Wissen nicht sofort mitteilen. So erlangte er binnen kürzester Zeit das umfänglichste Wissen über die Vorstellungswelt dieses Volks der Bronzezeit, ihrer Götter, Sagen und Riten. Die Erkenntnisse wären nur für Historiker interessant geblieben, wenn ihm nicht am letzten Abend vor der Abreise nach Deutschland ein Junge aus einem Dorf die 88 Sondertafeln gebracht hätte. Mit ernster Miene, ohne den üblichen nach Belohnung gierenden Blick hatte der Helfer sie ihm ins Zelt gereicht. Und Fischer erkannte das Besondere sofort. Die Texte waren eben nicht dem Baal, dem großen und umfassenden Gott der Ugariter, gewidmet, sondern Lilith, der gefallenen ersten Frau
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