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Der Lippenstift meiner Mutter

Der Lippenstift meiner Mutter

Titel: Der Lippenstift meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: weissbooks
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davon? Krzysiek will mich heiraten und mit mir in den Westen abhauen: Das imponiert mir!«
    »Und der junge Doktor?«
    »Er wird warten! Sobald Krzysiek sein Frauchen für mich verlassen hat, werde ich ihn abschießen und meinen jungen Doktor heiraten! Süß ist die Stunde der Rache − ihr Schweine!«
    »Willst du eine Ehe zerstören? Meine arme Tochter hat schon genug gelitten! Los, zieh dich an! Verschwinde! Du Biest, du Schlampe!«
    »Reg dich nicht auf, Alterchen! Du bist auch nicht heilig – im Gegenteil! Du ähnelst mir sogar in vielen Belangen! Und deine Tochter ist ebenfalls ein nettes Früchtchen – und du ahnst nicht, was für ein nettes! Außerdem bin ich nicht deshalb mit dir ins Bett gestiegen, damit du mich jetzt beschimpfst! Ha! Nichtsdestotrotz! Du bist bestimmt einmal ein guter Liebhaber gewesen! Hast du auch meine Mutter gevögelt? Bestimmt nicht! Krumme kurze Beine magst du nicht! Sie hat aber ein hübsches Gesicht! Jetzt gib mir mein Geld!«
    Die Tochter von Herrn Lupicki lachte, und Bartek zählte wieder die Sekunden, weil er leise sein musste, und er dachte an seine Mutter, die von ihrem Mann betrogen wurde, und er dachte auch daran, dass Monte Cassino im violetten Sterben lag und morgen wieder rasiert und gewaschen werden musste. Und irgendwie, in diesem grölenden Lachen Mariolas, gelang es dem Schusterkind, endlich ganz ruhig zu atmen.
    »Du Biest, du Schlampe!«, schrie der Franzose. »Sei still! Du kriegst von mir nicht einmal einen Z ł oty ! Willst du etwa deiner Freundin Marzena Konkurrenz machen?«
    »Halsabschneider! Halsabschneider!«, lachte sie weiter.
    Er schlug sie ins Gesicht, klatsch! Er schlug sie ein zweites Mal: »Ich werde eine Zigarette auf deinem Bauch ausmachen! Das werde ich tun – du Biest!«, drohte ihr der Franzose.
    »Du Feigling! Mache es! Das will ich sehen! Ich will diesen Schmerz spüren!«, lachte sie.
    Mariolas Lachen hörte nicht auf, und dann schlief Bartek aus Angst vor dem Ersticken und vor der brennenden Zigarette, die auf Mariolas Bauch ausgedrückt werden sollte, ein. Er schlief in Oma Olcias Kleiderschrank, und die Kleiderbügel von Olcia trugen ihn durch den kurzen Schlaf. Als sich dann die beiden Kleiderschranktüren öffneten, weckte ihn das schwächelnde Tageslicht: Der Abend war im Anmarsch. Der Franzose sagte: »Los, komm da raus, Junge. Wir gehen zu Natalia Kwiatkowska! Sie möchte uns sehen!«
    »Wie hast du mich entdeckt?«, fragte Bartek, als er aus seinem Versteck herausgekrochen kam und als Erstes die Arme und Glieder reckte und dehnte, da sie ihm taub geworden waren. »Und was hast du Mariola angetan?«
    »Ich musste sie bestrafen. Und du Spion, du hast uns schön zugehört und alles aufgeschrieben?«
    »Ich habe nichts gehört und auch keine Notizen gemacht.«
    »Lügner! Ich habe mich von dir auf frischer Tat ertappen lassen, doch sei es drum, Schusterkind! Du bist ganz nach meinem Geschmack … Und auch ganz schön dreist und neugierig … Macht es dir Spaß, Liebespaaren nachzustellen?«
    »Kann sein, Franzose«, sagte Bartek. »Ihr habt mich zu einem Spanner erzogen, zu einem Guckloch in der Tür – so ist es in Wahrheit gewesen.«
    Das Schusterkind erinnerte seinen Opa daran, dass Hilde einen Termin auf dem Milizrevier hätte, wo sie wieder als Dolmetscherin für den deutschen Spion aus Amerika arbeiten müsste. Bartek hatte Oma Hilde versprochen, sie zu diesem zweiten Termin zu begleiten; somit könnte er erst gegen Abend bei Natalia Kwiatkowska vorbeischauen, meinte er, bevor er in seine Stiefel schlüpfte, sich die Winterjacke überwarf und auf die Straße zurückeilte, wo er sich am wohlsten fühlte, in diesem weißen Amphitheater von Dolina Ró ż , in dieser schwarzen Milchstraße, die an dem Fluss Luna und auch hier in der Nähe der Schusterwerkstatt und des Markplatzes mit dem mittelalterlichen Tor und seiner stehengebliebenen Turmuhr ein Zuhause gefunden hatte. Hier war das Schusterkind endlich allein und konnte Pläne schmieden und seine momentane Lage in aller Ruhe analysieren. Fliehen oder nicht fliehen?, das ist hier die Frage, dachte sich Bartek, zumindest darf ich den Franzosen nicht allein nach Gda ń sk fahren lassen – er wird nicht mehr zurückkommen; im besten Fall wird er uns Joanna schicken, falls sie überhaupt seine Tochter ist: Vielleicht kommt sie von den Engeln und gar nicht von der Erde?! In einem Punkt hat er mich dennoch überzeugt, der Opa Franzose – ich muss Marcin nichts beweisen! Soll er doch

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