Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
durchdringenden Blick, unter dem er sich wie von einem Scheinwerfer beleuchtet fühlte, einem grellen Strahl, der seine Erinnerung durchleuchtete und die darin schlummernden Monster weckte. Was wollte sie wissen? Und warum bemühte er sich so, es vor ihr zu verbergen? Ihm behagten ihre Fragen nicht, doch es war sein Widerwille, sie auch nur sich selber zu beantworten, was ihn aufstehen und ein paar Schritte gehen ließ.
»Du hattest aber auch ernsthafte Beziehungen, oder nicht?«, fuhr Danni fort.
Wieder zuckte er die Schultern. »Natürlich habe ich Frauen gehabt.«
»Etwas anderes wollte ich damit auch nicht sagen«, erwiderte sie und errötete bis zu den Ohrläppchen.
Sean hätte diese hübschen kleinen Ohren gern geküsst. Er wollte jeden Zentimeter von ihr küssen.
Aber Danni beharrte auf dem Thema. »Ich fragte mich nur, ob du auch richtige Beziehungen hattest. Echte Bindungen mit wahrem Engagement.«
»Aber sicher«, entgegnete er spöttisch. »Und welche Frau würde so was auch nicht von mir wollen? Ich habe ja nicht mal ein Dach über dem Kopf, das ich mein Eigen nennen kann.«
»Es gibt auch Frauen, die sich mehr für den Mann interessieren als für sein Geld.«
»Tja, so eine werde ich dann wohl erst noch finden müssen.«
Danni bewegte sich nervös, und Sean verspürte ein geradezu boshaftes Vergnügen bei dem Wissen, dass er sie in Verlegenheit gebracht hatte. Denn auch wenn er in ihrem Privatleben herumgestöbert hatte, so passte es ihm doch gar nicht, dass sie das Gleiche auch bei ihm versuchte.
»Dann ist das also der Grund?«, fragte sie und zerstörte damit jede Hoffnung, dass sie mit ihren Fragen aufhören würde. »Du denkst, du hättest einer Frau nicht genug zu bieten?«
Er wandte ihr den Rücken zu und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. »Nicht ganz. Ich scheine auch irgendwie ein Geschick dafür zu haben, Frauen in für sie sehr schwierigen Momenten zu begegnen.«
»Und das ist etwas Schlechtes?«
»Nur insofern, als unsere Verbindung dadurch die Tendenz hat, eine Brücke zu etwas anderem zu sein.« Er warf Danni einen Blick über die Schulter zu, weil er sich plötzlich fragte, ob er nicht gerade seine Zeit mit ihr beschrieben hatte. Es überraschte ihn, wie schmerzhaft sich sein Magen bei der Vorstellung verkrampfte. Er wollte bei Danni nicht nur eine Überbrückung sein; er wollte selbst die Brücke überqueren und mit ihr in seinen Armen auf der anderen Seite stehen. Und das beschäftigte und beunruhigte ihn, weil Frauen Geschöpfe waren, die er nie richtig verstanden hatte, und er daher nicht voraussehen konnte, wie die Frau reagieren würde, falls es ihm gelingen sollte, diese Kluft zwischen ihnen zu überwinden.
»Hast du schon einmal geliebt?«, beharrte Danni, aber sie hörte sich so an, als wäre ihr nicht ganz wohl bei dieser Frage. Und obwohl es klüger wäre, ihr den Rücken zuzukehren, um seine Gedanken vor ihr abzuschirmen, drehte Sean sich um und sah, wie ihr erneut die Röte in die Wangen stieg.
»Ich glaube, die Einzige, die ich fast geliebt hätte, war Molly Clark. Ihr Mann war gestorben, und sie stand mit fünf Kindern, die sie zu ernähren hatte, ganz allein auf dieser Welt. Ich war oft bei ihr, um ihr zur Hand zu gehen. Ich stach den Torf für ihr Feuer und brachte ihr etwas zu essen, so oft ich konnte.«
»Wie hast du sie kennengelernt?«
Noch so eine Frage, die ihm nicht behagte. Es war zu hart für ihn, in seine Erinnerung zurückzugreifen, und er konnte spüren, wie wieder Ärger in ihm erwachte. »Du liebe Güte, daran kann ich mich nicht mal erinnern.«
»Hast du mit ihr geschlafen?«
»Warum willst du das wissen?«
Danni versuchte, zu lächeln und sich so unbefangen zu geben, als wäre die Frage nur ein Scherz gewesen. Aber die Röte in ihrem Gesicht vertiefte sich, kroch bis unter ihre Haarwurzeln, und wahrer Schmerz erschien in ihren Augen. Warum wirkte sie so gequält bei ihrer Frage? Diese Frau war ihm ein Rätsel.
»Sie hatte fünf Kinder und nur die ganz frühen Morgenstunden, um mit einem Mann zusammen sein zu können«, sagte er.
»Und? Hast du diese frühen Morgenstunden mit ihr verbracht?«
»Aye«, antwortete er und dachte an die gestohlenen Minuten im Dunkel ihres Zimmers, wenn der Mond bereits verblasste und der aufgehenden Sonne wich. Molly hatte ihn in ihrem Bett willkommen geheißen und ihn mit ihren sanften Berührungen verführt. Er erinnerte sich an ihre Wärme, das Verlangen in ihren Küssen und die schläfrigen
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