Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
mit einem Hauch von Silber machte. Im Moment sah er seinem Vater überhaupt nicht ähnlich. Er glich in keinster Weise mehr dem Mann, der Dannis Welt zerstören würde, und dafür war sie dankbarer, als sie in Worte fassen oder auch nur selbst verstehen könnte.
Er erhob sich, und selbst darin lag bei ihm eine gewisse Eleganz. Fasziniert sah Danni zu, wie er sich aufrichtete und seine langen Glieder streckte, und weidete sich am Anblick seiner breiten Schultern, der Kraft seiner muskulösen Arme und der natürlichen Anmut seiner hochgewachsenen Gestalt. Auch er hielt unverwandt den Blick auf sie gerichtet, und etwas Unergründliches glomm tief in seinen grünsilbernen Augen auf.
»Das war aber eine schnelle Dusche«, sagte er.
Schnell? Ihr war es wie eine Ewigkeit vorgekommen, als sie mit ihrer Mutter durch diesen eisigen Tümpel des Verrats gewatet war.
»Alles in Ordnung mit dir, Danni?«, fragte er und trat noch näher.
Nun konnte sie auch seinen Duft wahrnehmen. Er duftete nach Wind, nach salzigem Ozean und Mann. Selbst nach dem langen Tag roch er noch gut. Danni atmete tief ein und ließ diesen beruhigend realen Duft die anhaltende Erinnerung an die Höhle und den üblen Beigeschmack von düsteren Geheimnissen vertreiben. Am liebsten hätte sie ihr Gesicht an Seans Brust gedrückt und seinen warmen, angenehmen Duft für immer eingeatmet.
Zögernd streckte Sean eine Hand aus und berührte ihre Schulter. Danni starrte ihn aus dumpfen Augen an, machtlos gegen den Schmerz, der sie von innen heraus zerfraß. Sean schien verwirrt zu sein, und trotzdem wusste er, was er zu tun hatte. Er zog Danni in seine Arme, drückte ihren Kopf an seine Brust und hielt sie, während sie in Tränen schier zerfloss.
21. Kapitel
S ean fragte nicht, warum Danni weinte, weil er ahnte, dass er damit höchstens den vollständigen Zusammenbruch riskieren würde. Irgendwie spürte er, dass ihre Tränen einer tieferen Emotion entsprangen als ihrer Furcht und Verwirrung über die Frage, wie sie hierhergekommen waren. Ihr Schmerz kam aus einem Teil von ihr, der ebenso heiß und essenziell war wie der Kern der Erde. Sie weinte nicht nur, sondern schluchzte und wimmerte so jämmerlich, als wäre sie bis ins Herz verwundet. Ihr Gram konnte als nichts Geringeres als Seelenschmerz gedeutet werden. Aber was war es, was sie so traurig machte?
Alles, was ihn zu einem Mann machte, wollte eine Erklärung von ihr verlangen, um zu bereinigen, was auch immer sie zum Weinen brachte, und ihre Welt wieder in Ordnung zu bringen. Aber Sean schaffte es, den Drang zu unterdrücken, vielleicht, weil derselbe Mann, der ihn verspürte, auch das Falsche daran sah. Er konnte Seelenqual nicht heilen. Und wenn er noch so sehr wünschte, dazu in der Lage zu sein, er war einfach nicht dazu imstande. Und es zu versuchen und zu scheitern würde schlimmer sein, als es von vornherein zu lassen.
Deshalb tat er, was er konnte, hielt sie in den Armen und versuchte, ihr durch seine Stärke Trost zu übermitteln. Stand den Ansturm ihrer Gefühle durch und schenkte ihr unablässig Kraft und Wärme. Sein Hemd war nass von ihren Tränen, und noch immer flossen sie, ein Strom des Verlustes, der zu mächtig geworden war, um ihm noch Einhalt zu gebieten. Sean hatte ihr das Bündel Kleider aus der Hand genommen und weggelegt und wiegte sie nun sanft in seinen Armen. Wenn er ihren Rücken streichelte, glitten seine Hände ab und zu über das Badetuch hinaus, um ihre warme, seidige Haut zu berühren. Der Kontakt war so elektrisierend, dass er ihn vorübergehend abzulenken drohte, doch Sean beherrschte sich und versuchte, ihr nichts anderes als seine Stärke und Umarmung zu schenken.
Er hätte nicht sagen können, wie lange er sie so gehalten hatte, bevor ihr Schluchzen leiser wurde und ihre Tränen zu versiegen begannen. Er war ganz in dem Gefühl von ihr, in ihrem Duft und in dem warmen Beben ihres Körpers versunken gewesen. Sie zog den Kopf von seiner Brust zurück, wo er so wunderbar hingepasst hatte, und blickte aus noch immer tränennassen Augen zu ihm auf. Ihre Wimpern waren dunkel und verklebt, ihre Pupillen groß und schwarz vor Schmerz.
Sean wollte sie küssen, sie berühren, wie er es an diesem Morgen getan hatte - falls es wirklich mehr als ein Traum, als eine Fantasie gewesen war, die sich unablässig wie ein Film in seinem Kopf abspielte. Aber sie sah jetzt so traurig und verletzlich aus, dass er es nicht übers Herz brachte, die Grenze des in ihn gesetzten
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