Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
auch nur ...«
»Ach, erspar mir die traurige Geschichte. Wie war das Leben denn für Sean? Für Niall? Für deine Mutter? Was ist mit ihnen allen?«
Danni schüttelte den Kopf, weil ihr unbegreiflich war, wie Colleen ihr die Schuld an allem geben konnte. »Ich war noch ein Kind, als es passierte!«
»Und selbst als Kind hättest du es schon beenden können. Stattdessen jedoch hast du alles verdrängt und nie wieder daran gedacht. Du hast es einfach vergessen«, fauchte sie.
»Glaubst du, das hätte ich absichtlich getan? Mein Gott, Colleen, du kannst doch nicht annehmen, dass es mein Entschluss war, so zu leben?«
»Was ich denke, ist nicht wichtig.«
»Aber du beschuldigst mich ...«
»Am Ende dieses Tages wird mir wieder alles genommen werden, was ich liebe. Ich habe keine Zeit, dich mit Schmeicheleien für die Wahrheit zu gewinnen, Danni. Ich sage dir nur, dass du es beenden kannst.«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein?«, versetzte Danni, die sich angesichts Colleens Kritik ganz hilflos fühlte. »Sieh mich doch mal an! Ich bin nicht irgendein allmächtiges Wesen, das mit einem bloßen Fingerschnippen die Welt verändern kann. Ich kann ja nicht mal meinen eigenen Hund dazu bewegen, mit mir heimzugehen.«
»Und trotzdem stehst du hier.«
»Deinetwegen. Du hast uns hierhergebracht.«
»Nein, Kind. Das waren weder ich noch Sean. Schau in dich hinein und sieh selbst, wie du hierhergekommen bist.« Mit diesen kryptischen Worten wandte sie sich ab und ging.
»Warte!«, sagte Danni schnell. »Was ist ... Wie soll ich ... Was muss ich tun, Colleen?«
»Und was für eine Antwort willst du darauf haben? Du kannst tun, was immer du dir vornimmst; was immer du für richtig hältst, wie es so schön heißt.«
»Aber ich weiß ja nicht einmal, wo ich beginnen soll!«
»Dann würde ich mir an deiner Stelle schleunigst vornehmen, es herauszufinden, oder nicht?«
Und mit einem knappen Nicken in Dannis Richtung begann sie, den Weg hinunterzugehen, ohne sich noch einmal umzublicken. Kurz darauf hatte der von der See aufsteigende Nebel sie verschluckt und Danni allein in einer schwarzen und weißen Welt zurückgelassen, in der es kein Versteck mehr gab.
24. Kapitel
A ls Danni in das kleine Bauernhaus zurückkehrte, konnte sie noch immer die gegen die Felsen schlagenden Wellen hören, die nach und nach die Küste abtrugen und sie in weichen Sand verwandelten. Genauso fühlte sich Danni tief in ihrem Innersten - wie etwas, das in Partikel verwandelt worden war, die keine Ähnlichkeit mehr mit ihrem Ursprung aufwiesen.
Sie setzte sich auf die Couch und zog ihre Beine unter sich. Bis auf Seans leise, ruhige Atemzüge in dem von einem Vorhang abgetrennten Nebenraum war es ganz ruhig im Haus. Da Danni den Vorhang offen gelassen hatte, konnte sie die Umrisse von Seans Gestalt im Bett ausmachen. Still lauschte sie seinem Atem und begann, sich sogar in ihrer eigenen Haut wie ein Fremdkörper zu fühlen, als sie sich das Gespräch mit Colleen noch einmal durch den Kopf gehen ließ.
Selbst als Kind hättest du es schon beenden können.
Ihr ganzes Leben hatte Danni versucht, sich den Anschein zu geben, als wäre sie wie jeder andere. Aber sie hatte nie jemanden damit täuschen können, oder? Denn so gut sie auch mit der Zeit darin geworden war, ihr wahres Ich zu verbergen, hatten ihre Mitmenschen doch stets gespürt, dass irgendetwas an ihr anders war. Dass irgendetwas an ihr nicht ganz richtig, nicht natürlich war. Von Pflegefamilien bis hin zu den Männern, die sie gekannt hatte, hatte keiner sie je wirklich haben wollen.
Und nun war sie hier und durchlebte etwas, das, vernünftig betrachtet, vollkommen unmöglich war. Sie führte mitten in der Nacht Gespräche mit einer Fremden, die behauptete, ihre Großmutter zu sein, und glaubte, dass sie, Danni, die Macht besaß, die Welt dieser Frau zu verändern.
Danni schloss die Augen, als Colleens Worte sich nicht aus ihrem Kopf verdrängen lassen wollten. Hatte sie, Danni, sich irgendwie selbst hierher gebracht, oder war es das Buch gewesen?
Inzwischen hatte sie sich schon fast damit abgefunden, dass es kein Traum und auch keine Vision gewesen war, was sie zwanzig Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt hatte. Sie erinnerte sich sogar, in den Momenten, bevor die Luft umgeschlagen und sie und Sean gefallen waren, gedacht zu haben, wie unfair es doch war, dass er auf diese Weise in ihr Leben getreten war. Und wie sehr sie wünschte, etwas daran ändern zu
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