Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
können.
Doch das hier war real, und wenn es noch so unmöglich erschien, und vielleicht war sie ja wirklich verantwortlich dafür. Was machte es dann also schon, wenn sie einen weiteren großen Sprung zur dunklen Seite wagte? Was konnte es dann schaden, den Schritt zu riskieren, um zu sehen, ob es vielleicht noch mehr gab, was sie tun konnte?
Sie zog ihre Knie an die Brust und schlang ihre Arme darum. Mit geschlossenen Augen konzentrierte sie sich auf Niall und versuchte, ihm im Geist zu folgen. Sie konnte ihn klar vor Augen sehen - wie er in der Höhle stand und ihrer Mutter beim Schwimmen zusah, als wäre sie ein mystisches Seewesen, das durch Zauberkraft in seine Welt hineinversetzt worden war. Er sah aus wie ein Sterbender, dem sich plötzlich eine Chance zu leben bot. Danni richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf diese Verzweiflung und konzentrierte sich auf Nialls widerstreitende Emotionen.
Und schon spürte sie den vertrauten Druck, die immer stärker werdende Spannung in der Luft, die sie umwirbelte wie ein Tornado und von allen Seiten her bedrängte, als sie sie herbeirief. Sie war so nahe daran ... Danni konnte alles sehen, die Bilder im Geist jedoch nicht festhalten, und sie fand keinen Weg, die Verbindungen zu lösen, die das Umschlagen der Luft behinderten. Und dann wurde der Luftdruck wieder schwächer und begann nach und nach ganz abzuflauen.
Nein!
Danni kniff die Augen zusammen und warf sich mit ihrer ganzen Willenskraft in die atmosphärische Veränderung, die aber zu schwach, zu flüchtig war, um sie zu festhalten zu können. Danni konnte die gewünschte Vision nicht erzwingen.
Es war dumm gewesen anzunehmen, sie könnte es.
Sie stieß einen Seufzer der Enttäuschung, der Resignation und Reue aus. Colleen irrte sich. Danni war anders, aber sie war nichts Besonderes. Ihr widerfuhren Dinge, doch sie konnte sie nicht herbeiführen. Das Kinn auf ihre Knie gestützt, starrte sie Seans Umrisse auf dem Bett an. Das leichte Vibrieren in der Luft war noch zu spüren, aber gerade so weit außer Reichweite von ihr, als verhöhnte und verspottete es sie.
»Was tust du da?«, schreckte Seans verschlafene Stimme sie aus ihren Gedanken auf.
»Ich dachte, du schliefst«, sagte sie und legte erschrocken eine Hand aufs Herz.
Er richtete sich auf, und Danni spürte, wie sein Blick über sie glitt, obwohl sie weder Seans Gesicht noch dessen Ausdruck sehen konnte.
»Ich wurde vorhin wach, und du warst weg. Wo warst du?«, fragte er.
»Draußen. Ich brauchte ein bisschen frische Luft.«
»Allein?«
Nein, ich habe mit deiner Großmutter über das Unmögliche geplaudert - nein, warte, eigentlich war es meine Großmutter, mit der ich draußen war.
»Ja.«
Er schien darauf zu warten, dass sie mehr sagte, mehr tat, als nur dazusitzen und ihn anzustarren. Aber sie konnte gar nichts anderes tun, als das Spiel der blassen Mondstrahlen auf seiner muskulösen Brust und seinen starken Armen zu verfolgen. Die Erinnerung an die Nacht mit ihm trieb ihr die Röte ins Gesicht und brachte sie ganz durcheinander. Und was sie heute Morgen erfahren hatte, verkrampfte ihr den Magen und erschwerte ihr das Atmen. Sie kam sich schrecklich unzulänglich und töricht vor.
Sean stieg aus dem Bett und zog seine Jeans an, deren Bund er achtlos zuknöpfte, während er durch den kleinen Raum zu Danni kam. Ein forschender Ausdruck trat in seine Augen, als ihm ihre steife Haltung bewusst wurde. Die Luft über ihr wälzte sich ganz unversehens herab, und da wusste Danni plötzlich, dass es doch in ihrer Macht stand, Visionen zu erzeugen. Wie durch eine Tür, die aufgerissen und nicht mehr geschlossen worden war, konnte sie jetzt einen Blick hineinwerfen.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Sean, der vor ihr stehen geblieben war. Als sie nichts erwiderte, hob er sanft ihr Kinn ein wenig an und sah ihr in die Augen. »Rede mit mir, Danni!«, bat er sie.
Die Wärme seiner Finger an ihrer Haut und die Zärtlichkeit in seiner tiefen Stimme schienen noch ganz andere Dinge um sie herum zu entfachen. Danni spürte das Zischen und Summen in der Luft, als sie ihr wie ein heißer Wind entgegenschlug und sie sich ihr tapfer stellte. Im Geiste öffnete sie sich der Vision und rief sie unter Aufbietung ihrer ganzen Willenskraft herbei.
Und dann spürte sie, wie sie taumelte, in sie hineinstürzte und wie das Zimmer, Sean und alles um sie herum sich zu drehen begann. Während all das geschah, verfestigte die Luft sich immer mehr. Wie eine Decke
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