Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
seiner eigenen Sprache sagen, was Daddy antwortete. Es war Russisch, hörte ich dann später. Ich konnte auf einmal Russisch sprechen.«
»Aber heute nicht mehr«, warf Dáirinn mit einem schadenfrohen kleinen Lächeln ein. »Das konntest du nur damals.«
Rory zuckte die Schultern und warf seiner Schwester einen bösen Blick zu.
»Sagen Sie uns, was Sie vorhaben, Mrs. Ballagh«, bat Dáirinn ganz unvermittelt.
»Was ich vorhabe?«, wiederholte Danni.
»Sie sind doch bestimmt nicht hier, um Kuchen zu backen?«
Danni senkte den Blick auf ihre Hände. »Kartoffelschmortopf«, erwiderte sie.
Die Zwillinge kicherten und sahen sie mit erwartungsvollen Augen an. Danni wusste, was sie wollten, aber wie könnte sie ihnen ihre Frage beantworten? Wussten sie, warum sie hier war? Gab es einen konkreten Grund dafür? Oder war sie durch einen Unfall, ein Versehen in diese Zeit zurückversetzt worden? Colleen hatte es vorausgesehen, und auch Dáirinn sah so aus, als hätte sie ihre Ankunft schon erwartet. Was konnte das bedeuten?
Du kannst tun, was immer du dir vornimmst ...
Danni wurde ganz weh ums Herz, als sie an Sean dachte. Hier, in dieser Zeit, war er so wunderbar real. So solide, stark und schön ...
»Ich bin hier, um jemanden zu retten«, sagte sie leise.
»Dazu haben Sie jedes Recht«, erklärte Dáirinn ruhig, als wäre ihr die Antwort schon bekannt gewesen. »Aber das Buch ist nicht mehr da, falls Sie vorhatten, es zu benutzen. Und das ist ein Segen, wissen Sie?«
»Nein.«
»Wenn Sie ein Leben retten wollen, kann das Buch es tun«, versicherte Rory. »Ist es ein Schatz, den Sie wollen, kann es Ihnen auch den beschaffen. Was immer Ihr Traum ist, das Buch besitzt die Macht, ihn wahr werden zu lassen.«
»Aber so darf es nicht benutzt werden«, wandte Dáirinn ein. »Es gibt nichts, ohne sich dafür etwas zu nehmen, und je größer das Geschenk ist, desto höher ist der Preis.«
»Es wird Ihnen ein Stück Ihrer Seele nehmen«, sagte nun auch Rory leise. »Sie Ihnen stehlen wie ein Geldstück aus Ihrem Portemonnaie. Sie werden vielleicht nicht mal merken, dass es fort ist, bis sie dieses Stück Ihrer Seele eines Tages brauchen und es nicht mehr haben.«
Ein Stück ihrer Seele. Wäre das ein annehmbarer Preis für Seans Leben? Für das ihrer Mutter, ihres Bruders ... ihres eigenen? Würde das Stück, das sie heute von ihrem erwachsenen Ich abgab, Auswirkungen auf ihr junges haben, das dort vor ihr saß?
»Ja, das ist ein Rätsel, was?«, sagte Rory verständnisvoll. »Sie werden das Stück, das Sie aufgegeben haben, vielleicht nicht vermissen, doch jemand anders könnte es ganz doll vermissen.«
»Wie soll ich das verstehen?«, fragte Danni verwirrt.
»Nun ja, es ist doch so, dass ein Herz, das man verloren hat, nicht mehr brechen kann«, erwiderte Dáirinn altklug. »Aber was würde Ihr Liebster tun, wenn der Teil von Ihnen, den er am meisten liebt, auf einmal nicht mehr da wäre?«
»Das hat sie irgendwo gelesen«, petzte Rory.
»Hab ich nicht!«
»In einem Märchen.«
Dáirinn öffnete den Mund, um zu protestieren, doch Danni unterbrach sie:
»Wieso bist du so klug? Du wirkst viel älter als fünf Jahre.«
Beide Augenpaare richteten sich auf ihr Gesicht. »Glauben Sie denn, dass die Welt nur aus dem besteht, was man sehen kann?«, entgegnete Dáirinn statt einer Antwort.
Danni schüttelte den Kopf.
»Wir auch nicht.«
Die Feststellung hing so schwer in der Atmosphäre zwischen ihnen, dass Danni nicht wusste, wie sie darauf reagieren sollte. Sie spürte, dass die simple Erklärung ihre Frage beantworten müsste, doch sie löste nur noch mehr Fragen, noch mehr Verwirrung in ihr aus. Seit sie gestern Morgen erwacht war, hatte sie versucht herauszufinden, was sie und Sean hierher gebracht hatte. Jetzt spürte sie, dass sie der Wahrheit schon viel näher war. Diese beiden Kinder wussten es - nicht nur, warum sie hier war, sondern auch, wie es weitergehen würde.
Colleens schroffe, gequälte Stimme hallte ihr wieder in den Ohren. Selbst als Kind hättest du es schon beenden können.
Und als Danni jetzt in Dáirinns Augen blickte, glaubte sie das auch. Dáirinn wäre möglicherweise imstande, den Lauf des Schicksals zu verändern, aber sie hatte Angst - Angst vor dem Preis. Angst vor dem Buch. Auch Danni hatte Angst, doch sie würde es riskieren. Wenn sie so die Flut aufhalten könnte, die ihr ganzes Leben wegzuspülen drohte, würde sie alles dafür wagen.
Sie brauchte jedoch Hilfe, und
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