Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
schierer Wut anzuwachsen drohte.
Sean hatte befürchtet, sie habe sich auf eine ihrer Visionen begeben und ihn zurückgelassen. Allein und voller Angst, dass sie nicht mehr zurückkehren würde.
Er wollte sie in die Arme nehmen, sie ganz fest an sich drücken und nie mehr loslassen. Er wollte ihr sagen, dass er sie liebte. Dass ein Leben ohne sie für ihn nicht lebenswert wäre. Er wollte sie heiraten, mit ihr alt werden, seinen letzten Atemzug in ihren Armen tun. Aber seine Frustration und das beharrliche Gefühl, dass alles, was er wollte, schon bald verloren sein würde, ließen ihm keine Ruhe, und was dabei herauskam, war Wut - unerklärliche, doch unnachgiebige Wut. Wut auf sich selbst und auf das Schicksal, das sich gegen ihn verschworen und ihn an diesen Punkt gebracht hatte.
Beim Klang seiner Stimme fuhr Danni herum. Sie sah klein und zerbrechlich aus, zart wie die Blütenblätter des weißen Dornenstrauchs, der an den Hängen blühte. Die Schatten im Haus zeichneten dunkle Kreise um ihre Augen und machten aus ihr einen Strahl aus fahlem Licht im Dunkel. Ihr Blick richtete sich auf Sean, und der Anflug eines Lächelns erschien um ihren Mund. Ihren Hund zu sehen freute sie.
»Wo warst du?«, fragte Sean erneut.
»Ich war in dem Haus ...«
Er unterbrach sie, bevor sie den Satz beenden konnte. »Ich war in dem Haus. Und dort sagte man mir, du wärst schon gegangen. Das war vor Stunden, Danni.«
»Oh! Ich war noch spazieren.«
Er fuhr so unvermittelt auf, dass Bean erschrocken von der Sessellehne heruntersprang und zu ihrer Herrin lief. Danni bückte sich und streichelte den kleinen Hund mit sanften Händen.
Die widersprüchlichen Emotionen, die sich in Sean zusammenbrauten, kochten hoch und vergrößerten noch seine Wut. »Und wo warst du spazieren? Auf dem Mond, Danni? Hat dich das für Stunden aufgehalten?«
»Nein«, erwiderte sie leise und richtete sich auf. »Ich war in der Höhle unter den Ruinen.«
Unter den Ruinen? Sean starrte sie mit offenem Mund an. »Weißt du, wie alt die Burg ist? Hast du auch nur eine verdammte Vorstellung davon, wie gefährlich es darunter ist?«
Sie nickte stumm. Na toll! Sie hatte es gewusst und war dennoch hingegangen.
Sean konnte den Glanz ihrer großen grauen Augen sehen, aber nicht den Ausdruck in ihnen. Nicht, was sie dachte. Was verbargen diese Augen?
»Was hast du da unten gemacht?«, fragte er, während er um Beherrschung ringen musste, weil er wusste, dass sein Zorn weder realistisch noch vernünftig war. Und weil er das Gefühl hatte, als würde er von irgendetwas dazu angestachelt, von dem er jedoch keine Ahnung hatte, was es war. In seinem ganzen Leben war er noch nie versucht gewesen, bei einer Frau gewalttätig zu werden, aber Danni trieb ihn immer wieder an den Rand des Unbekannten.
»Ich habe nachgedacht«, sagte sie leise, und dann kehrte sie ihm den Rücken zu und ging genauso stumm und gleichgültig, wie er es an diesem Morgen getan hatte, zu dem kleinen Badezimmer weiter. Aber er konnte sie nicht so ohne Weiteres gehen lassen wie sie ihn früher am Tag.
»Nachgedacht?«, wiederholte er und erhob trotz seiner guten Vorsätze nun doch die Stimme. Er gab sich wirklich alle Mühe, seinen Ärger zu beherrschen, ihn im Zaum zu halten wie das wilde Tier, das er ja letztendlich auch war - doch es gelang ihm einfach nicht. »Ein paar verdammte Stunden lang? Bist du nicht ein Mal auf die Idee gekommen, dass ich mir Sorgen machen könnte, wo du bist?«
»Tut mir leid«, sagte sie, doch sie war schon an der Badezimmertür, und er konnte sehen, dass sie sie schließen würde. Ihn aussperren würde.
»Du wirst mir antworten, verdammt noch mal!«, schrie er. »Ich will wissen, was zum Teufel du getrieben hast. Mit wem warst du zusammen?«
Und da war es, was er sich nicht hatte eingestehen wollen, weil es ihm zu viel Angst einjagte. Gestern Nacht war sie von draußen hereingekommen und hatte gesagt, sie habe nicht schlafen können. Hatte behauptet, allein gewesen zu sein. Aber er glaubte, Stimmen gehört zu haben, war überzeugt gewesen, dass sie ihn belog ... Und jetzt kam sie ihm schon wieder mit der gleichen Lüge. Und genau wie seine Mutter vor ihm zerfraß ihn die Eifersucht, weil er befürchtete, dass sie bei jemand anderem gewesen war. Der bloße Gedanke, dass Danni - seine Danni - mit einem anderen Mann zusammen sein könnte, traf Sean bis ins Mark. Er konnte es nicht glauben, aber er konnte auch nicht die brennende Unruhe in sich unter Kontrolle
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