Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
härter, langsamer, tiefer ... Sein Blick folgte dem Pfad, den seine Hände in der Nacht beschrieben hatten, und auch wenn es eigentlich vollkommen unmöglich war, so wusste Danni doch, dass er sich ebenfalls sehr genau daran erinnerte. Wenn es ein Traum gewesen war, dann war es ein gemeinsamer gewesen.
»Ich bin ebenso verwirrt wie du, Danni«, sagte er mit leiser, rauer Stimme. »Doch so unmöglich es auch erscheint, hier sind wir. Also lass uns in die Küche gehen, bevor meine Großmutter uns an den Ohren hinunterschleift. Vielleicht verstehen wir das alles mit der Zeit ja besser.«
Keiner von ihnen glaubte daran, aber Danni warf ihm schweigend eine der Zahnbürsten zu und folgte ihm aus dem Zimmer. Der Flur war schmal und im gleichen angegrauten Weiß gestrichen wie das Schlafzimmer. Es gab drei Türen, die von dem Gang abgingen. Die erste führte in ein kleineres Schlafzimmer mit einem Bett, einem Schaukelstuhl und einem Kleiderschrank; die andere zu einem nahezu identisch aussehenden Raum. Hinter der dritten lag ein Badezimmer. Sean wartete draußen, während Danni es benutzte.
Erstaunt über die veralteten Installationen, wusch sie sich die Hände und das Gesicht, bürstete ihr Haar, putzte sich die Zähne und spülte ihren Mund, bevor sie endlich den Mut aufbrachte, sich im Spiegel zu betrachten. Dieselbe Danni, die sie gestern aus ihrem Spiegel angeblickt hatte, erwiderte ihren Blick. Und doch war heute etwas anders an ihr. Es lag etwas Wildes, Ungebändigtes in ihren Augen, in dem Rot, das ihre Wangen färbte.
Das ist alles nicht real, sagte sie im Geist zu ihrem Konterfei.
Und ob es das ist!, schrien ihre Augen.
Sie wartete draußen vor der Tür auf Sean und folgte ihm dann über den Gang nach unten. Ein köstlicher Duft wehte zu ihnen herauf und verlockte sie auf dem kurzen Weg über die Treppe. Was auch immer es zum Frühstück gab, es roch fantastisch.
Im Erdgeschoss des Hauses gab es ein Wohnzimmer mit einem Kamin, einem Sofa und zwei Sesseln. In einer Ecke stand ein kleiner Fernseher, der mindestens zwanzig Jahre alt sein musste und noch einen Einschaltknopf und zwei weitere Knöpfe für Kanalwechsel und Bildeinstellung hatte. Eine hohe Standuhr in der Ecke schlug die halbe Stunde, und Danni war schockiert zu sehen, dass es erst halb fünf in der Frühe war. Was in aller Welt erwartete man so früh von ihnen?
Eine halbhohe Wand mit einem spindeldürren hölzernen Geländer darüber trennte den Wohnbereich vom Essbereich, der mit einem langen Tisch, acht Stühlen und einer Vitrine ausgestattet war. Sean ließ ihr keine Zeit, das Porzellan in Augenschein zu nehmen, aber es schien alt zu sein und in Ehren gehalten zu werden. Eine gute Auswahl an Kristall und Porzellan stand hübsch angeordnet hinter dem Glas, und dem glänzenden Holz des Schranks war anzusehen, wie sorgfältig es gepflegt wurde.
Durch eine Tür gelangte man in eine geräumige Küche mit Linoleumboden und gelb geblümten Tapeten an den Wänden. Offene Regale mit dünnen, lavendelfarbenen Gardinen davor nahmen eine ganze Wand am Ende der Küche ein. Durch das hauchdünne Gewebe konnte Danni nur wenige Konservendosen, aber jede Menge Gläser mit eingemachtem Obst, Gemüse und Marmeladen erkennen. Etwas, das verdächtig nach Schweinefüßen aussah, schwamm in einer rötlich braunen Brühe.
Colleen stand am Herd und wendete Bratkartoffeln, die fettig aussahen, aber überaus verlockend rochen. Mit einem wachsamen, jedoch auch anhimmelnden Ausdruck auf ihrem haarigen Gesicht saß Bean zu Füßen der alten Frau und ließ sie keinen Moment aus den Augen. Alle paar Minuten legte Colleen eine Kartoffelscheibe aus der Pfanne zum Abkühlen auf ein Papiertuch, bevor sie sie Bean zuwarf, die sie auffing wie ein Zirkushund.
Sean ging zu einem Kessel auf einer anderen Flamme und schenkte zwei Becher Tee ein. Zu dem einen gab er Milch hinzu und zu dem anderen mehrere Löffel Zucker.
»He, he«, schalt Colleen und klopfte ihm mit ihrem Holzlöffel auf die Finger, als er sich einen weiteren Löffel Zucker nehmen wollte. »Glaubst du, ich bin die verdammte Queen von England?«
Seans Kopf fuhr hoch, und er starrte seine Großtante - Großmutter, berichtigte sich Danni - sogar noch verblüffter an als bei ihrem plötzlichen Erscheinen im Schlafzimmer. Danni hatte das Gefühl, dass dies hier ein Ritual war, das sie schon immer so vollzogen hatten - ein vertrautes Spielchen, das etwas bewirkt hatte, was Sein und Sehen nicht in ihm hervorgerufen
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