Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
die Hüften und noch nach seinem Bad riechend, auf der anderen Seite des Bettes stand. Er lächelte mich an und sagte, ich hätte die Stimme einer Lerche. Ich hatte noch nie einen unbekleideten Mann gesehen. Meine Mutter war Witwe, und eine strengere Frau als sie ist mir niemals begegnet. Bei ihr gab es keinen Fez.«
Colleen holte tief Luft und fuhr fort wie jemand, der einen Sprung in kaltes Wasser tut. »Ich versuchte, aus dem Raum zu laufen, aber Brion sagte mir, ich solle ruhig weitermachen. ›Ich werde dich nicht stören‹, meinte er und ging in das Ankleidezimmer, dessen Tür er so weit offen stehen ließ wie das Tor zum Paradies. Natürlich habe ich nicht hingeschaut, doch an den Geräuschen merkte ich, dass er sich anzog, und das buchstäblich direkt vor mir. Ich machte das Bett schnell fertig und stürzte aus dem Zimmer. Später wurde ich ausgescholten für meine schlampige Arbeit.«
Hier versuchte Danni, Colleen zu unterbrechen, um sie zu fragen, warum sie ihr diese Geschichte erzählte. Was hatte sie mit Danni, Sean oder dem Grund, aus dem sie hier waren, zu tun?
Colleen, die Dannis Absicht spürte, sagte: »Ich komme schon zum Punkt, Kind. Aber lass mich auf meine Art und Weise hingelangen.« Danni nickte, und Colleen fuhr fort: »Danach war Brion MacGrath überall, wo ich war. Zunächst hielt ich es für Zufall, dass er ständig meine Wege kreuzte, doch schon bald begann ich es als das zu sehen, was es war. Aber selbst da war mir noch nicht ganz klar, was es bedeutete, bis er mich eines Tages draußen auf der Weide fand, dort drüben bei dem Dolmen, der mein Lieblingsplatz war, um in Ruhe dazusitzen und nachzudenken. Dort hatte ich auch meine erste Vision.«
»Hattest du als Kind denn keine?«
»Nein«, antwortete Colleen, scheinbar überrascht über die Frage. »Als Kind nicht.« Eine Mischung aus abergläubischer Furcht und Neugier flackerte in ihren schwarzen Augen auf, als sie ihren Blick auf Danni richtete. »Ich habe noch nie von jemandem gehört, der schon als Kind Visionen hatte. Bis auf dich natürlich.«
Danni spürte, wie sich eine Gänsehaut auf ihren Armen bildete. »Was sahst du, als du dort gesessen hast?«, fragte sie, auf den Dolmen zeigend.
»Ich sah Brion, der kam, um mich zu holen. Ich war schwanger, und er sagte mir, er liebe mich. In der Vision schwor er, es sei aus mit seiner Frau, und er werde mich zu der neuen Herrin von Ballyfionúir machen.«
Danni hatte einen trockenen Mund, und ihre Nerven waren zum Zerreißen angespannt. Falls das stimmte - falls irgendetwas davon stimmte -, dann sprach Colleen von Dannis Großvater.
»Er wollte sich scheiden lassen?«
»Nein, Kind. In Irland gab es damals keine Scheidung. Das war eine Sünde gegen Gott und die Regierung gleichermaßen.«
»Wie wollte er dann ...«
»Genau das war auch meine Frage. Wie? Und dann sah ich in einer Vision, was er zu tun vorhatte. Er wollte sie umbringen.«
»Warte«, bat Danni schnell und hob die Hand. »Er wollte sich nicht von ihr scheiden lassen, weil das eine Sünde wäre, aber sie zu töten, war keine?«
»Oh, natürlich war es eine Sünde! Aber wer würde schon aussagen, dass er es war? Wer würde es wagen, mit dem Finger auf den Mann zu zeigen, der dafür sorgte, dass alle hier zu essen hatten? Das wäre ja, wie sich seine eigene Hand abzuhacken.«
Danni schüttelte den Kopf, außerstande, ein Leben mit solcher Loyalität und Abhängigkeit zu verstehen.
»Brion war sehr beliebt in dieser Stadt, und keiner würde sich gegen ihn wenden. All das sah ich in meiner Vision. Und schließlich war ja auch er selbst noch da, der echte Mann, der vor mir stand und seinen Schatten auf mich warf. Ich wollte weglaufen, aber ich konnte mich nicht bewegen. ›Du weißt, dass ich dich haben werde‹, sagte er. Und er hatte recht, das wusste ich auch.«
»Du hast nicht versucht, es zu verhindern?«
»Hörst du mir nicht zu, Kind? Natürlich habe ich versucht, es zu verhindern. Ich wollte damit nichts zu tun haben. Ich schwöre dir aber, dass der Mann auch so etwas wie die Gabe hatte, denn er schien zu erraten, was ich dachte. Er küsste mich, bis sich mir die Zehen krümmten. Es war ein Kuss, der so sündhaft wie der Mann war, Danni. Und dann ließ er mich allein, um darüber nachzudenken. Ich wäre keine Frau gewesen, wenn ich einen solchen Kuss hätte vergessen können. Es war mein erster und dazu auch noch von einem Mann, der wusste, wie man küsste.«
»Warum erzählst du mir das alles?«, fragte
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