Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
sagen«, unterbrach Colleen sie scharf, »dass nicht ich es war, die dich hierher gebracht hat. Aber jetzt bist du nun einmal hier, und es ist deine Aufgabe, das Wie und Warum herauszufinden. Nur du kannst wissen, was du als Nächstes tun musst.«
»Du redest, als müsste ich alle Antworten haben. Als ich heute Morgen erwachte, befand ich mich plötzlich in einer zwanzig Jahre zurückliegenden Zeit. Wie zum Teufel soll ich wissen, wie ich damit umgehen soll?«
»Etwas in dir weiß es schon, Dáirinn MacGrath. Ich schlage vor, du findest heraus, welcher Teil das von dir ist, und fängst an, auf das zu hören, was er dir zu sagen hat. Es gibt schlimmere Orte zum Erwachen als deine Vergangenheit.«
14. Kapitel
D as reinste Chaos schien vor dem MacGrath'schen Haus zu herrschen, als Colleen Danni durch die Tore führte. Männer bestellten das Gelände, bepflanzten Blumenbeete, jäteten Unkraut, beschnitten Bäume und mähten die Rasenflächen, die sich wie ein Teppich zwischen dem wild wuchernden Weidegras erstreckten. Andere waren damit beschäftigt, die vielen Fenster zu putzen, Regenrinnen zu säubern und die Außenmauern mit einem frischen gelben Anstrich zu versehen.
Colleen ging gleich zur Hintertür, und Danni, die ihr folgte, wurde plötzlich von einem schmerzlichen Gefühl der Einsamkeit befallen. Sie wollte nicht hineingehen - wollte nicht das Haus betreten, in dem sie die ersten fünf Jahre ihres Lebens verbracht hatte, und sich der Tatsache stellen, dass sie keinerlei Erinnerung mehr daran hatte. Das schaffte sie nicht - nicht allein. Sie wünschte, Sean wäre hier bei ihr, so lächerlich selbst ihr das vorkam. Aber er würde ihre Hand halten und ihr etwas von seiner Wärme und seiner Kraft abgeben.
Doch er war nicht hier, und Danni hatte keine andere Wahl, als Colleen ins Haus zu folgen.
Die Hintertür führte in eine helle, freundliche Küche mit hellblauen Wänden und hübsch gekachelten Arbeitsflächen. Ein von Mauerwerk umrahmter alter Kohlenofen zur Rechten verbreitete Wärme und Gemütlichkeit in dem weitläufigen Raum. Vor dem Ofen stand ein langer Kiefernholztisch mit Bänken, die daruntergeschoben waren, und hübsch aufpolierten Stühlen an den beiden Enden. Dahinter sah Danni eine Truhe aus Kiefernholz, die vorn mit einem runden Schloss versehen war.
Als sie ihren Blick schon wieder abwandte, kam ihr schlagartig eine Erinnerung. Die Truhe war kein ausgefallenes Stück, und trotzdem wusste Danni, dass sie sie schon einmal gesehen hatte - in der Vision, in der ihre Mutter ihr das Buch von Fennore gezeigt hatte.
Aber es war nicht derselbe Raum, in dem sie die Truhe gesehen hatte.
Danni schluckte und wappnete sich ganz unwillkürlich gegen das scheußliche Summen, den widerlichen Geruch und das ausströmende Blut.
»Fühlst du dich nicht gut, Kind?«, fragte Colleen und berührte Dannis Arm, was sie wieder in die freundliche Küche zurückführte.
»Mir geht es gut«, antwortete Danni und hörte auf, die Truhe anzustarren.
Von einem Fenster über der Spüle blickte man auf den Garten und die atemberaubenden Ruinen hinaus. Kräuterbündel hingen an Schnüren um das Fenster, und an einem von schweren Ketten gehaltenen Brett, das von der Decke herabhing, waren Kupferkessel und -pfannen aufgehängt. Die Küche roch nach Zimt und einem anderen süßlichen, schwer zu bestimmenden Aroma, das Danni nicht erkannte, obwohl es tief in ihrem Inneren eine Erinnerung auslöste und sie sich gleichzeitig getröstet und verlassen fühlen ließ.
Zwei Frauen standen, einen Berg von Teig zwischen sich, an der Arbeitsfläche. Sie plauderten und lachten, als sie den Teig zu pingponggroßen Bällchen formten und ihn mit einer klebrigen Masse füllten, über die Danni nicht einmal Vermutungen anstellen konnte. Durch eine Schwingtür, die offenbar in ein Speisezimmer führte, kam eine dritte Frau herein und trug ein Tablett mit kristallenen Gläsern zu der Spüle.
Während Danni und Colleen abwartend an der Tür standen, trat eine korpulente Frau mit schwarzem Haar und scharfen blauen Augen auf sie zu. Danni hielt den Atem an, als ihr eine weitere bruchstückhafte Erinnerung kam, die diese Frau mit Leckereien und liebevollen Umarmungen verband.
Colleen strahlte sie an und sagte: »Guten Morgen, Bronagh! Diese junge Dame hier ist Danni Ballagh, die aus dem fernen Amerika gekommen ist, um dir an diesem schönen Tag zu helfen. Ein Segen wird sie für dich sein. Danni, diese gute Frau ist Bronagh
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