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Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)

Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)

Titel: Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Quinn
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verzeihen würde.
    Seit dem Moment, als Niall zur Küchentür hereingekommen war, schien sich der Wirrwarr der Gefühle in Sean aufzulösen und in Sehnsucht zu verwandeln. In ein quälendes Verlustgefühl.
    Zwanzig Jahre hatte er geglaubt, dass er seinen Vater nie wiedersehen würde - und wie denn auch? Der Mann war schließlich tot. Doch jetzt war Niall auf einmal wieder da und hantierte an Bord der Guillemot herum, wie er es in fast allen Erinnerungen tat, die Sean von ihm geblieben waren. Es war unmöglich für ihn, dieses Wiedersehen nicht als zweite Chance zu betrachten. Als Möglichkeit, all seine bitteren Gefühle mit der Freude zu versöhnen, die ihn erfasste, wenn er diesen sanften Riesen mit dem Deck unter seinen Füßen und den tosenden Gewässern des Ozeans kommunizieren sah.
    All der Groll und Hass, die sich so viele Jahre in Sean aufgestaut hatten, die ganze Wut, die er mit der Erinnerung an seinen Vater verbunden hatte ... es war höchste Zeit, all diese Emotionen noch einmal zu überprüfen und den realen Mann mit dem in seiner Erinnerung zu vergleichen. Sean gab seinem Vater die Schuld am Tod seiner Mutter und dem seines kleinen Bruders, obwohl die Behörden beide Todesfälle als Unfall eingestuft und Niall von jeglicher Verantwortung entbunden hatten. Aber Sean hatte es geschehen sehen. Er war beim Ausbruch der Gewalttätigkeiten dabei gewesen und hatte seinen schlimmsten Albtraum grauenhafte Wahrheit werden sehen.
    Seine Mutter war betrunken gewesen an dem Nachmittag, an dem sie starb, doch das war nichts Neues gewesen. Es war nichts Ungewöhnliches, dass Sean und sein Bruder sie völlig weggetreten vor einem überquellenden Aschenbecher und einer leeren Flasche Connemara-Whisky antrafen, wenn sie aus der Schule heimkamen. An jenem Nachmittag war sie jedoch wach und in wilder Rage, beschimpfte Seans Vater und redete wirres Zeug daher, wie sie es so häufig tat. Niall versuchte, sie zu beruhigen, aber davon wollte sie nichts wissen.
    Mit einem Fleischermesser in der Hand ging sie auf Niall los, um ihn zu verletzen oder vielleicht sogar zu töten, doch Seans kleiner Bruder trat dazwischen, um sie aufzuhalten, und das Messer traf ihn zuerst.
    Was dann geschah, war für Sean eine nach wie vor schmerzliche, aber heute nur noch sehr verschwommene Erinnerung. Und trotzdem kehrten auf einmal wieder Bruchstücke davon zurück ... das Glitzern des Lichts auf der Messerklinge ... das wütende Gekreische seiner Mutter ... der widerlich süße Geruch des Blutes, das über den Küchenboden lief ...
    Noch Jahre nach den gewaltsamen Ereignissen jenes Tages hatte Sean die furchtbaren Momente in seinem Kopf Revue passieren lassen, sie hin und her gewendet, bis ihr Ausgang anders war. Anstatt wie erstarrt vor Furcht dazukauern, wie er es damals getan hatte, stürzte Sean sich in seiner Fantasie heroisch in die Auseinandersetzung und rettete seine Mutter und seinen Bruder. Manchmal war es sein Vater, der an ihrer Stelle starb, und häufig war es auch er selbst. Sean war voller Selbsthass gewesen, weil er sie nicht beschützt hatte, sondern zu feige, zu erstarrt gewesen war, um irgendetwas anderes zu tun, als in sprachlosem Entsetzen zuzusehen, wie Mutter und Bruder starben. Seine Schuldgefühle und sein Kummer verdrehten all den Schmerz in ihm, brachten ihn auf den Weg der Selbstzerstörung und ließen ihn sich den Tod als Wiedergutmachung erträumen. Und Sean sorgte dafür, dass Niall jeden bitteren Moment seiner Seelenqual zu fühlen bekam.
    Und dann, fünf Jahre später, brachte Niall sich in der Höhle unter den Ruinen um, wo Dannis Mutter mit ihren Kindern verschwunden war. Er wählte lieber den Tod, als sich vor Gericht für Morde verantworten zu müssen, die er nicht begangen hatte, wie allein schon Dannis Existenz bewies ...
    Hatte er es getan, weil Sean ihm mit seiner Verachtung, seinen ewigen Beschuldigungen und seinem Hass den Lebenswillen genommen hatte? War Niall einfach nur der Versuchung erlegen, lieber alles zu beenden, als seinem einzigen noch lebenden Sohn gegenüberzutreten und in dessen unversöhnliche Augen schauen zu müssen?
    Sean hoffte zwar, dass er sich irrte, aber so recht daran glauben konnte er nicht. Er erinnerte sich noch gut an den Morgen nach Fias und ihrer Kinder Verschwinden, als die Polizei gekommen war, um seine Großmutter zu sprechen. Er war von den Stimmen unten erwacht, und als er verschlafen in die Küche kam, erzählten sie Nana gerade, dass Niall tot in der Höhle

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