Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
widersprach Fia. »Nicht heute Abend.«
Aber Fias Mutter beachtete sie nicht, sondern ging zu der Truhe, öffnete sie mit einem Schlüssel, den sie um den Hals trug, und nahm etwas heraus. Danni wappnete sich innerlich, da sie schon wusste, was es war, bevor sie das Segeltuch, in das es eingehüllt war, sah.
Das Buch von Fennore.
Danni wartete auf die Schwingungen, auf das Böse, das sich aus diesem unheiligen Ding entladen würde, sobald es aus dem Segeltuch genommen wurde. Fias Mutter zögerte nicht, das schauerliche Ding zu enthüllen, nahm es aus dem geölten Tuch heraus und betrachtete es mit einem kalten Lächeln. Sein schwarzer Einband schien förmlich zu erglühen und alles Licht, das ihn berührte, in sich aufzunehmen. Das Buch selbst blieb jedoch still und öffnete sich nicht so wie in Dannis früherer Vision.
»Edel«, sagte die Mutter mit einem ungeduldigen Fingerschnippen zu dem älteren Mädchen.
»Ja, Mum.«
Danni wurde beinahe übel, als sie sah, mit welchem Widerwillen die junge Frau gehorchte. Mit schleppenden Schritten ging Edel zu ihrer Mutter und drehte sich dann um. Danni starrte ihr neugierig ins Gesicht und bemerkte, dass Edels Augen die gleiche warme schokoladenbraune Farbe hatten wie ihr Haar. Und diese schönen braunen Augen sprühten jetzt geradezu in dem gedämpften Licht.
Gegen ihren Willen schlich Danni näher heran. Sie hatten etwas Eigenartiges, diese Augen, etwas ... In diesem Moment blickte Edel auf, als wäre ihr Dannis Bewegung nicht entgangen, und für einen langen, beängstigenden Augenblick begegneten sich ihre Blicke.
Danni versuchte zurückzutreten, war aber plötzlich wie gelähmt und nicht mehr in der Lage, auch nur einen Muskel zu bewegen. Sie konnte nur noch den Blick dieser eigentümlichen Augen erwidern, die trotz ihres warmen Brauns so kalt und bodenlos waren, dass man Gefahr lief, sich auf immer darin zu verlieren. Irgendwie schaffte sie es, tief Luft zu holen und sie wieder auszulassen, worauf ihr Atem sich zu ihrem Schrecken in eisig kalten Dunst verwandelte.
Edels Augen ... sie sind nicht menschlich, diese Augen.
»Nun komm schon«, drängte ihre Mutter sie. »Ich werde es mir nicht anders überlegen, und wenn du noch so lange trödelst.«
Die unheimlichen kalten Augen wandten sich von Danni ab, und sie sackte fast in sich zusammen vor Erleichterung.
»Der Scheiß wird sowieso nicht funktionieren«, fauchte Edel ihre Mutter an.
»Mit dieser negativen Einstellung sicher nicht.«
Edel bleckte die Zähne und ließ sie mit einem scharfen Klicken wieder zuschnappen. Ihre Mutter wich einen Schritt zurück. »Fürchtest du dich, Mum?«, höhnte Edel. »Vor dem, was aus mir geworden ist? Denn Fia macht es Angst - nicht wahr, Schwester?«
»Ich habe die größte Lust, dich hinauszuwerfen, damit du dir auf der Straße deinen Lebensunterhalt zusammenbetteln kannst«, versetzte ihre Mutter scharf.
»Ach ja? Und wer soll dann hier deine Aufträge erfüllen? Fia? Sieh sie dir doch an! Sie ist wie gelähmt vor Furcht.«
Beide drehten sich zu Fia um, die wie versteinert auf der Kante ihres Sessels hockte, und funkelten sie böse an. Sie sah klein und verloren aus, ihre Augen waren so weit aufgerissen, dass ihr ganzes Gesicht nur noch aus ihnen zu bestehen schien. Am ganzen Körper zitternd, schüttelte sie den Kopf und bewegte nur lautlos die Lippen.
Edel schnaubte angewidert.
»Du wirst gehen, weil ich sage, dass du gehen wirst«, erklärte die Mutter warnend und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf.
»Ich werde gehen, weil ich diese widerliche Bruchbude verlassen will. Und ich werde nicht mit dem Speck zurückkommen, Mum. Ich werde verdammt noch mal überhaupt nicht mehr zurückkommen.«
Der Ausdruck des Entsetzens auf dem Gesicht der Mutter jagte Danni solche Angst ein, dass sie am liebsten losgerannt wäre und die Flucht ergriffen hätte. Ganz unwillkürlich drückte sie den Topf, den sie immer noch in den Händen hielt, wie einen Schild an ihre Brust.
Edel trat mit voller Absicht ein paar Schritte vor, sah ihrer Mutter in die Augen, wie sie es bei Danni getan hatte, und ließ sie regelrecht erstarren mit dem tödlichen Vorsatz, der in diesen unheimlichen kalten Augen lag. Dann hob Edel langsam ihre Hand und hielt sie mit gespreizten Fingern über den schwarzen Bucheinband. Ein Lächeln spielte dabei um ihre Lippen, ein scheußlich anzusehendes vergnügtes Grinsen.
»Ich will endlich mal was anderes sehen, verstehst du? Einen Ort, an dem es niemals
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