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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Morgan Jones
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Nina angerufen?«
    »Gestern Morgen.«
    »Und nachmittags gibt es schon jemanden, der ihn beschattet? Das ging sehr schnell.«
    »Ich denke, dass das Privatdetektive waren. Leute von hier.«
    »Vor Ort angeheuerte Leute täuschen keine Selbstmorde vor. Zumindest nicht diejenigen, die ich kenne.«
    »Die Russen könnten gestern spät angekommen sein.«
    »Stimmt.«
    Webster dachte einen Moment nach. »Lohnt sich vielleicht, das zu überprüfen.«
    »Das ist nicht leicht.«
    »Lassen Sie unseren Freund im Reisebüro die Last-Minute-Buchungen checken.«
    »Was ist mit privaten Flügen?«
    »Dabei sollte Juri uns helfen können.«
    »Okay.« Hammer machte eine Pause. »Was tun Sie jetzt?«
    »Ich werde hierbleiben und langsam durchdrehen. Vielleicht kommt er zurück. Wenn Sie mich brauchen, rufen Sie das Hotel Daniel an und fragen Sie nach Mr. Green in Zimmer 205.«
    »Gut. Machen Sie keine Dummheiten.«
    »Okay.«
    Es gab nichts weiter zu tun.
    Er saß auf dem Bett und nahm Locks Exemplar von Middlemarch in die Hand. Der Rücken war nach etwa hundert Seiten gebrochen, und das Buch öffnete sich von selbst. Noch sechshundert Seiten. Er fragte sich, ob Lock die Chance haben würde, es zu Ende zu lesen.

    Wo war er jetzt? Irgendwo in einem dunklen Keller, in einem Transporter, der aus Berlin hinausraste; im Fluss, tief unter den Eisschollen, die auf der Oberfläche trieben wie erkaltetes Fett? Wie würden sie es diesmal machen? Ihn unter einen Zug werfen, von einer Brücke, aus einem Fenster? Er sah einen benommenen und verängstigten Lock vor sich, der von zwei gesichtslosen Männern mit steinhartem Griff fortgezerrt wurde, die Augen aufgerissen und rot unterlaufen, wissend und nicht wissend, was als Nächstes kommen würde; Lock in einer hell erleuchteten Zelle, mit schmutziger Kleidung, eine Menschentraube um ihn herum, die einzige Farbe in dieser Szene war die rote Linie quer über seiner Kehle.
    Und wofür das alles? Eine sinnlose Suche nach irgendeiner fernen, flackernden Gerechtigkeit, von der Webster wusste, dass er sie nie zu fassen bekommen würde.
    Er warf seinen Kopf zurück und schlug ihn gegen die Wand. Neuer Schmerz stach in seiner Wunde. Er machte es noch einmal, seine Augen blickten zum Himmel auf, flehten, füllten sich mit Tränen der Wut. Und noch einmal, fester.

15
    Noch bevor er seine Augen öffnete, spürte Lock die Bewegung. Er wusste, dass er lag und dabei durchgeschüttelt wurde, sanft, ungleichmäßig, hin und wieder gab es einen scharfen Ruck. Ein rumpelndes Geräusch ging durch seinen Körper. Seine Knie waren aufgerichtet, und die Füße drückten gegen etwas Festes. Er versuchte, seine Hand zum Kopf zu bewegen, aber auf seinem Arm lastete ein Gewicht, als könnte keine noch so große Anstrengung ihn freibekommen. Ihm war heiß, er rang nach Luft, wollte Luft tief in seine Lungen saugen, doch etwas hinderte ihn daran. Jedes Einatmen war kurz, eng und schmerzhaft. Alles war von Übelkeit erfüllt – sein Kopf, sein Magen, die Kehle empor –, sie kam und ging in Wellen, aber sie war immer da.
    Gegen seinen Instinkt öffnete er seine Augen einen Spalt breit. Es war dunkel, nur ein einzelnes orangefarbenes Licht pulsierte über sein Sichtfeld. Er öffnete die Augen weiter und hob unter Schmerzen seinen Kopf einige Zentimeter. Er befand sich in einem engen Raum. Einen Arm konnte er gar nicht bewegen, den anderen kaum. Er sah seine Knie, und dahinter rasten Dinge, blitzten Lichter vorbei, weiße Lichter, gelbe Lichter. Sie drehten sich um ihn. Er zwang sich, eine Weile hinzusehen, und langsam wurde der Raum deutlicher. Zwischen den Lichtern konnte er einen Baum
erkennen, Fenster, eine Wand. Das war die Welt. Wo war er dann? Er schaute nach rechts. Der Kopf eines Mannes, und der Mann saß. Er war in einem Auto. Er wurde gefahren, bei Nacht, wie ein kleines Kind, dem man gesagt hat, dass es auf der Rückbank schlafen darf.
    Sein Körper wollte sich übergeben. Er schloss die Augen und wehrte sich dagegen, aber er konnte den Drang nicht bezwingen. Er wälzte sich auf die Seite und spürte, wie all seine Muskeln sich in einem gewaltigen Krampf zusammenzogen. Danach fiel er wieder auf den Rücken.
    »Scheißkerl.« Auf Russisch. Die Stimme kam vorne aus dem Auto. Der Kopf des Mannes auf dem Sitz drehte sich zu ihm um. Mehr russische Worte folgten. Lock verstand sie nicht. Der Geruch von Erbrochenem stieg ihm in die Nase und ließ ihn erneut würgen, doch er fühlte sich ein wenig klarer, ein wenig

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