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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Morgan Jones
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zurück und berichtete.
    Dmitri Gerstman war um 2:37 Uhr vom Dach des Hotel Gellért in Budapest gefallen und sofort tot gewesen. Die Todesursache hatte man noch nicht offiziell bestimmt, doch erste Untersuchungen legten nahe, dass er an den Folgen des
Sturzes gestorben war. Er war nicht im Gellért abgestiegen, sondern im Four Seasons. Dort hatte er am Freitagmorgen eingecheckt und sollte am Dienstag wieder auschecken – er hatte an diesem Tag einen Flug um 18.55 zurück nach Berlin gebucht. Er schien vom Dach des Gebäudes gefallen zu sein und nicht aus einem der Zimmer, obwohl die Tests, die klären sollten, aus welcher Höhe er gefallen war, noch ausstanden. Die Polizei hatte an keiner der möglichen Stellen des Sturzes Anzeichen für einen Kampf gefunden. Niemand von der diensthabenden Hotelbelegschaft erinnerte sich, gesehen zu haben, wie er das Hotel betrat; es erinnerte sich überhaupt niemand daran, ihn in dem Hotel gesehen zu haben. Die Gäste waren noch nicht systematisch vernommen worden. Er hatte keine Nachricht hinterlassen, seiner Frau aber von seinem BlackBerry aus eine halbe Stunde vor seinem Tod eine E-Mail geschickt. Die Nachricht besagte einfach: »Auf Wiedersehen. Es tut mir leid. Dmitri.« Als die Berliner Polizei Mrs. Gerstman gegen 8:30 morgens vom Tod ihres Mannes informierte, hatte sie die Mail bereits erhalten und versucht, ihn auf seinem Handy und im Four Seasons zu erreichen. Sie hatte die deutsche Polizei verständigt. Das BlackBerry selbst war zerschmettert in seiner Jackentasche gefunden worden. Er hatte einen Anzug getragen, aber keinen Mantel, obwohl es eine kalte Nacht gewesen war.
    »Warum war er dort?«, fragte Hammer.
    »In Budapest? Das ist ein bisschen verworren. Die Deutschen haben mit seiner Frau und mit Prock gesprochen, aber ich glaube, da ist einiges bei der Übersetzung verloren gegangen. Er hatte zwei Klienten in Ungarn, einen in Budapest, den anderen in Miskolc. Mit einem von ihnen war er
am Freitag essen, leider ist nicht klar, mit welchem. Er hatte in seinem Terminplaner Meetings am Montag und Dienstag vermerkt, weitere Informationen habe ich nicht.«
    »Und was hat er an diesem Abend gemacht?«
    »Das wissen sie noch nicht. Sie versuchen gerade, es zu rekonstruieren. Ich habe Istvan gebeten, das im Auge zu behalten.«
    Sie saßen einen Moment lang schweigend da. Webster wurde klar, dass ihm, auch wenn es lächerlich war, Hammers Schlussfolgerung viel bedeutete. Sie enthielt die Verheißung einer Absolution.
    »Hört sich das für Sie nach Selbstmord an?«, fragte Hammer.
    Webster seufzte. »Nein. Nein, das tut es nicht. Kann man seinen Abschiedsbrief mailen? Vermutlich. Der fehlende Mantel irritiert, aber wer sich umbringen will, denkt vielleicht nicht an einen Mantel. Ich weiß es nicht. Ein Hotel ist irgendwie ein komischer Ort für so etwas. Besonders dann, wenn man eigentlich in einem anderen Hotel wohnt. Warum hat er sich nicht aus seinem eigenen Fenster gestürzt?«
    »Vielleicht hatte er schon mal ein schlechtes Erlebnis im Gellért.«
    »Vielen Dank.«
    »Tut mir leid. Was war er für ein Mensch? Passte Selbstmord zu ihm?«
    »Er war nicht gerade vergnügt, aber … ich weiß nicht. Er war fit. Sichtbar fit. Wie ein leidenschaftlicher Läufer oder Ruderer oder so. Doch vor allem erschien er mir getrieben. Entschlossen.«
    »Depressiv?«
    »Überhaupt nicht. Rückblickend würde ich sagen, dass
er eindeutig vor etwas Angst hatte, aber deprimiert? Nein. Nein, da bin ich mir ziemlich sicher.«
    Hammer kaute auf seinem Bleistift. Dann stand er auf, suchte auf dem Kaminsims, fand Streichhölzer und ging in die Hocke, um das Feuer anzuzünden. Ein einziges Streichholz reichte aus, um das zusammengeknüllte Zeitungspapier zu entflammen. Er erhob sich und sah zu, wie das Anmachholz knisterte und zu brennen begann.
    »Hätte ich schon machen sollen, als Sie reinkamen. Sorry. Wollen Sie Ihren Mantel ausziehen? Nein?« Er setzte sich wieder in seinen Sessel, schaute einen Moment lang zur Decke und schloss die Augen. So blieb er vielleicht eine Minute lang sitzen, dann wandte er sich Webster zu.
    »Warum Eigeninteresse?«
    »Was?«
    »Sie haben gesagt, Sie wären übereifrig gewesen. Warum?«
    Webster sah weg und betrachtete einen Moment lang das Feuer, nahm seine Armbanduhr ab und rieb sein Handgelenk. Diesen Punkt hatte er nicht mit Ike besprechen wollen, aber er hatte sich noch nicht gefragt, warum. Jetzt wusste er es: Es war dumm, und er fühlte sich leicht

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