Der Löwe
Angreifer ist noch auf freiem Fuß?«
»So ist es.«
»Und jetzt ist er hinter dir her?«
»Ich bin hinter ihm her.«
»Richtig. Und dieser Boris, der für den libyschen Nachrichtendienst gearbeitet hat – ?«
»Hat was damit zu tun.«
»Okay. Wenn Boris in den USA ist, mache ich ihn für dich ausfindig.«
»Das weiß ich doch.« Ich gab ihm einen Tipp. »Er könnte unlängst verstorben sein.«
»Okay. Tot oder lebendig. Wie kann ich dich erreichen?«, fragte er.
Ich gab ihm die Nummer von meinem Kartenhandy. »Ich brauche das in vierundzwanzig Stunden. Spätestens.«
»Wenn du auflegst, klemm ich mich sofort dahinter.«
»Grüße an Mo.«
»Ich bete für Kate.«
Was ist mit mir, Dick? »Danke.« Ich legte auf und trank mein Glas aus.
Dick Kearns hatte eine etwa fünfzigprozentige Chance, Boris ausfindig zu machen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Boris noch lebte, war geringer. Aber wenn Dick ihn lebend fand, dann könnten Boris und ich darüber reden, wie wir unser gemeinsames Problem lösen konnten.
Der Alkohol machte mich ein bisschen schwurbelig, und ich hatte nicht viel geschlafen, deshalb lehnte ich mich auf dem Fernsehsessel zurück, schloss die Augen und gähnte.
Ich sah ein verschwommenes Ebenbild von mir, das Khalil festhielt, während Boris mit einem Eispfriem auf seinen Schädel einstach … dann hielt Boris Khalil fest, während ich einen chirurgischen Einschnitt in Khalils Halsschlagader vornahm … und jede Menge Blut lief mir an den Armen herab.
32
I n den Straßenschluchten von Manhattan ist die Morgendämmerung ein bisschen dunkler, aber ich sah, dass es ein weiterer schöner Frühlingstag werden würde – gutes Flugwetter.
In meiner Lobby war ein anderer Spezialeinsatztyp, Detective Lou Ramos, der sich entschlossen hatte, einen Bagellieferanten zu mimen – um halb sieben Uhr morgens eine gute Wahl, und noch besser war, dass er eine große Tüte mit echten Bagels und außerdem noch schwarzen Kaffee für mich hatte.
Ich sollte in der Lobby bleiben, bis mein Auto eintraf, deshalb plauderte ich mit Detective Ramos, der aus irgendeinem Grund ein bisschen Respekt vor mir zu haben schien. Weiß Gott, was man ihm an der Federal Plaza 26 über mich erzählt hatte. Ramos, Sie beschützen den legendären Detective John Corey, Mordkommission beim NYPD, aus gesundheitlichen Gründen im Ruhestand (drei Kugeln im Leib), der jetzt großartige und gefährliche Antiterrorarbeit für uns leistet.
»Wenn Ihnen während meiner Schicht irgendwas zustößt, bin ich im A-R-S-C-H«, vertraute mir Detective Ramos an.
»Was glauben Sie, wie ich mir dann vorkomme? T-O-T.«
Jedenfalls genoss ich die VIP-Behandlung, wenn auch nicht unbedingt den Anlass dafür.
Ich trank meinen Kaffee und dachte über den gestrigen Nachmittag nach. Ich hatte unsere Koffer ausgepackt und meinerseits noch einmal nach elektronischen Geräten gesucht, aber nichts Verdächtiges gefunden. Vielleicht sollte ich mir den Gedanken aus dem Kopf schlagen, dass Asad Khalil schlau war – oder
dass meine Kollegen hinterfotzig waren. Paranoia ist lustig, aber sie kostet viel Zeit. Andererseits bin ich bester Dinge, wenn ich in meine paranoide Phase gerate. Ich meine, allein der Gedanke, dass meine Feinde und meine Freunde mich drankriegen wollen, ist wunderbar aufregend.
Gestern war mein Paket von der technischen Abteilung geliefert worden, und jetzt trug ich ein Mikro und einen GPS-Peilsender, um meinen Kooperationwillen unter Beweis zu stellen. Außerdem trug ich eine Kevlarweste unter einem Oberhemd, das so geschnitten war, dass es über meinem kugelsicheren Unterhemd gut aussah, und ich hatte ein Sportsakko an, ebenfalls so geschnitten, dass genügend Platz für die Weste und die Glock in meinem Gürtelholster war. Ich bin nicht eitel, aber gut auszusehen ist wichtig, wenn man Knarre und Harnisch trägt, für den Fall, dass man in die Zeitung kommt.
Den übrigen Nachmittag hatte ich dazu genutzt, die Akte Khalil durchzulesen. Es gab wenig, woran ich mich nicht mehr erinnern konnte, aber als ich unsere Notizen – meine, Kates, George Fosters und Gabes – und unsere Memos über die weltweite Suche nach dem flüchtigen libyschen Arschloch sah, wurde mir klar, wie schwer wir uns drei Jahre lang ins Zeug gelegt hatten und wie absolut unauffindbar er gewesen war. In meinen drei Jahren bei der ATTF habe ich so etwas nicht einmal annähernd erlebt. Für gewöhnlich wird jemand gesehen, oder man bekommt einen entsprechenden Tipp
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