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Der Löwe

Der Löwe

Titel: Der Löwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson DeMille
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noch mehr Blut verlor.
    Khalil näherte sich mir Schritt für Schritt und hatte das Messer mit ausgestrecktem Arm nach vorn gerichtet.
    Als er nur noch zehn Schritte entfernt war, sagte er: »Ihr Gesicht.«
    Nun ja, ich wollte nicht, dass er mich verunstaltete, und was mich betraf, war der Messerkampf vorüber. Deshalb hob ich Kates Glock und richtete sie auf ihn. Mein Arm zitterte, und wieder dachte ich, ich würde schlappmachen.
    »Lass das Messer fallen«, sagte ich.
    Ich bemerkte, dass die Glock mit Matsch verkrustet war, und war mir nicht sicher, ob sie losgehen würde. Er offenbar auch nicht. »Lass es fallen, du Arschloch«, sagte ich, aber eigentlich wollte ich gar nicht, dass er es fallenließ. Eigentlich hätte es mir nicht weiter schwerfallen sollen, den Abzug durchzudrücken, aber … ich brachte es nicht fertig; ich wollte, dass er sich seine Kugel verdiente.
    Er legte noch ein paar Schritte zurück, dann sank er auf die
Knie. Es war vorbei, doch es ist nicht vorbei, bis es vorbei ist – und noch hatte er sein Messer auf mich gerichtet.
    Ich hätte es aussitzen können, aber allmählich stellte sich wieder das altbekannte Gefühl ein zu verbluten, an das ich mich nur zu gut erinnern konnte, deshalb musste ich den Mistkerl endgültig kaltmachen … Ich zielte auf seinen Kopf und legte den Finger um den Abzug. Doch dann hielt ich inne und schaute ihn an. Ich senkte die Knarre und schob sie in meinen Gürtel.
    Khalil stand wieder auf und kam mit ausgestrecktem Messer wie ein Zombie auf mich zu.
    Ich holte tief Luft, stürzte mich auf ihn, schlug seinen Arm zur Seite und stieß mit dem Kampfmesser von unten zu. Die Klinge drang hinter dem Kinn ein und bohrte sich durch seinen Mund in den Gaumen, wo sie steckenblieb. Ich ließ das Messer los und trat zurück.
    Er riss die Augen auf und versuchte zu sprechen oder zu schreien, aber die Klinge musste die Zunge durchstoßen haben, denn er brachte nur ein paar unverständliche Laute hervor, während ihm Blut aus dem Mund rann.
    Er fing an zu würgen, dann kam er erstaunlicherweise noch einen Schritt auf mich zu, und wir gingen auf Blickkontakt, waren nur noch knapp einen Meter voneinander entfernt.
    Das Kampfmesser steckte bis zum Heft unter seinem Kinn, und es sah aus, als wäre ihm ein seltsamer Spitzbart gewachsen.
    »Meine Frau ist am Leben«, sagte ich zu ihm. »Ich bin am Leben. Aber du bist tot.«
    Er starrte mich an, dann schüttelte er den Kopf.
    Ich sah, wie ihm merkwürdiges, grün-gelbes Zeug aus Mund und Nase quoll – möglicherweise Schleim aus der Nasennebenhöhle, vielleicht stammte der Typ ja auch aus dem Weltall.
    Asad Khalil war so gut wie tot, aber noch war er nicht gestorben, und mir ging es auch nicht allzu gut.
    Und so standen wir beide da, nur ein paar Schritte voneinander
entfernt, die Augen aufeinander gerichtet, und ich hatte das Gefühl, dass hier ein Wettstreit darum stattfand, wer den stärkeren Willen hatte – wer würde zuerst umkippen?
    Nun ja, ich jedenfalls nicht. Ich schaffte es, auf den Beinen zu bleiben, auch wenn sich in meinem Kopf alles drehte.
    Khalil schien plötzlich bewusst zu werden, dass er ein Problem hatte, und er hob die rechte Hand und packte den Messergriff, der unter seinem Kinn herausragte.
    Nun ja, niemand außer mir fasst Onkel Ernies Kampfmesser an, deshalb holte ich aus und schlug ihm ins Gesicht.
    Er ging zu Boden, und ich wusste, dass er nicht wieder hochkommen würde, deshalb sank ich ebenfalls auf die Knie. Dann kroch ich zu ihm, ließ meinen Kopf und die Schulter seitlich auf seine Brust sinken, damit meine Wunden höher lagen.
    Ich spürte, wie sich seine Brust hob und senkte.
    Ich starrte zum Himmel empor und spürte, wie mir leichter Nieselregen aufs Gesicht fiel, und es fühlte sich gut an.
    Ich fand mein Handy und wählte die 911. Ich sagte zur Telefonistin: »Zehn-dreizehn …« Polizist in Schwierigkeiten. Ich nannte meinen Namen und meine Dienstnummer, dann verfiel ich in Copjargon, damit es echt klang, und sagte: »Ich brauche einen Bus, unverzüglich« – einen Krankenwagen, sofort. Ich nannte ihr den Ort, musste es wiederholen und sagte dann: »Halten Sie Ausschau nach dem … großen Sattelzug … Carlino Masonry … yeah … machen Sie schnell.«
    Ich schloss die Augen und versuchte meinen Atem und Herzschlag in den Griff zu kriegen. Das würde knapp werden.
    Innerhalb von fünf Minuten hörte ich Sirenen an der Church Street, und eine Minute später spürte ich, wie sich

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