Der Löwe
Offiziell standen wir alle unter dem Schutz der Polizei und des FBI; inoffiziell waren wir lebende Köder. Deshalb hatte ich die Erlaubnis, »notwendige Besorgungen und dergleichen mehr« zu erledigen. In Wahrheit aber – und ohne dass sie es aussprachen – war es Walsh und Paresi egal, wohin ich ging, solange ich mich bereit erklärte, meine Personenschützer nicht abzuschütteln.
Ein guter Plan, aber nicht mein Plan. In meinem Plan kamen keine Cops und FBI-Agenten vor, die mir folgten und Khalil abschrecken, festnehmen oder ihn sogar umbringen könnten; in meinem Plan ging es nur um zwei Personen: John Corey und Asad Khalil.
Paresi sagte zu mir: »John, Sie können in diesem Fall noch eine Rolle spielen, und vielleicht ist es genau das.«
Ich ging nicht darauf ein.
»Das ist wie bei dem Spion, der aus der Kälte kam«, erklärte mir Walsh. »Sie sind gefeuert – offiziell von dem Fall abgezogen, aber inoffiziell sind Sie der Köder.«
»Ich hab’s kapiert.«
»Gut. Einverstanden?«, fragte er.
Lieber den Spatz in der Hand und so weiter und so fort. »Einverstanden«, sagte ich.
Paresi erklärte mir: »Sie tragen eine kugelsichere Weste, wenn Sie ausgehen, und wir geben Ihnen ein GPS-Peilgerät und ein Mikrofon samt Sender mit, damit Sie mit Ihrem Überwachungsteam sprechen können, wenn Sie unterwegs sind. Sie wissen ja, wie das läuft.«
Ich nickte.
»Sie können diese Sachen oben in der Technik abholen, bevor Sie gehen.«
»Wird gemacht.«
Damit schien das Thema beendet zu sein, und Walsh sagte zu mir: »Wir haben den Sanitätshubschrauber des NYPD angefordert, damit er Kate morgen Mittag abholt und hierher ins Bellevue bringt.«
»Gut. Ich sitze im Hubschrauber.«
»In Ordnung«, sagte Walsh. »Jemand wird Ihnen eine SMS schreiben oder Sie anrufen und Ihnen mitteilen, wann er am Heliport an der Vierunddreißigsten Straße startet.«
»Gut.«
Walsh warf einen Blick auf seine Uhr und fragte mich dann: »Irgendwelche Fragen? Gibt es noch irgendwelche Unklarheiten? «
»Ja«, sagte ich zu ihm. »Ich habe den Eindruck, dass Asad Khalil den Leuten etwas schuldig ist, die seine Reise hierher finanziert und ihn mit Informationen und logistischer Unterstützung versorgt haben. Würden Sie mir da beipflichten?«
»Ich pflichte Ihnen bei, dass er Unterstützer hat«, erwiderte er. »Ich habe keinerlei Kenntnis darüber, inwiefern er bei ihnen etwas gutmachen muss. Vielleicht ist das, was Khalil tut, genug der Schuldenbegleichung.«
»Das glaube ich nicht«, entgegnete ich.
»Nun, Sie dürfen davon ausgehen, dass Sie nicht der Erste sind, der daran denkt, Detective. In Washington ist man sich dessen bewusst, und die Spionageabwehr stellt bereits Untersuchungen an«, ließ er mich wissen.
»Gut. Wird der Heimatschutz die Alarmstufe anheben?«, fragte ich.
»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte er und riet mir: »Sehen Sie sich heute Abend die Nachrichten an.«
Walsh wollte mich natürlich in die Schranken weisen. Das Gesamtbild, wenn es denn eines gab, ging mich nichts an, es sei denn, Tom Walsh oder jemand, der noch höher stand, wollte, dass es mich etwas anging. Genau so war es zu 9/11 gekommen.
Ich schaute aus dem Fenster zu der Stelle, an der die Türme gestanden hatten, und sagte: »Ich hatte das Gefühl, dass ich das ansprechen sollte.«
»Danke. Es wurde zur Kenntnis genommen«, versicherte er mir.
»Diese Besprechung ist inoffiziell«, wandte ich ein.
»Diese Besprechung ist administrativ. Sonst noch etwas?«, fragte er.
Nun ja, Tom, ja. Ich möchte dir von Boris erzählen, der ein wichtiger Informant für uns sein könnte, wenn wir Asad Khalil dingfest machen wollen. Aber du bist so ein Scheißkerl, dass ich es lieber für mich behalte. Aber vielleicht weißt du ja schon über Boris Bescheid und behältst es für dich. Wie auch immer, leck mich.
»John?«
»Nein.«
»Gut.« Er stand auf, ich stand auf, und Captain Paresi stand ebenfalls auf.
»Ich danke Ihnen, meine Herren«, sagte Walsh. »Für Ihre Mühe und Ihre Überlegungen.« Dann hielt er eine kleine Ansprache. »Diese Sache ist nicht nur beruflich ein schwerer Fall für uns, sondern auch persönlich.«
Richtig. Jemand versucht uns umzubringen.
»Aber um diesen Fall zufriedenstellend zu lösen, sollten wir unsere persönlichen Gefühle am besten beiseitelassen und uns an die üblichen Vorgehensweisen und Vorgaben halten.«
Sprach er mit mir?
Er ging zur Aufmunterungsphase über. »Hier geht es nicht um uns – es
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