Der Lord ihres Herzens
verlassen. Die Bibliothek war immer der schönste und angenehmste Raum im Haus gewesen. Dazu kam der Vorteil, dass sie der einzige Ort war, an dem sich die anderen Trauergäste nicht aufhielten. Warum sollte er also nicht hierbleiben, wenn er es wollte? Wenn sie ihn so unangenehm fand, konnte sie ja gehen.
„Kehren Sie heute Abend noch nach London zurück, Mylord, oder wollen Sie sich in einem Gasthof einmieten?“ Anscheinend interessierte sich die Dame auch für ihn.
Er hielt inne. Zugegeben, die Situation war ein wenig heikel. Er war nach Lazenby aufgebrochen und hatte dabei nichts als Fredericks Beerdigung im Sinn gehabt. Doch inzwischen war sein Stand ein gänzlich anderer. Jetzt war er der Herr in diesem Haus. Obwohl er an Lady Roxdales Gesicht ablesen konnte, dass sie eine andere Bezeichnung für ihn hatte: die des Eindringlings.
Dieser Gedanke verlieh seinem Entschluss ungewohnte Festigkeit. „Ich bleibe hier.“
Erschrocken riss sie die Augen auf. „Ich fürchte, das wird nicht gehen.“
„Warum nicht?“
Diese Lippen sind viel zu sinnlich, als dass sie derart zusammengepresst werden sollten, durchfuhr es ihn. „Das Personal ist nicht auf Ihre Ankunft vorbereitet.“
Constantine lächelte. „Ich bin nicht so anspruchsvoll. Ich brauche nur ein Bett und etwas Verpflegung, dann bin ich schon zufrieden.“ „Sie werden feststellen, dass wir die Dinge auf Lazenby anders handhaben.“
Als er darauf nur eine Augenbraue hob, neigte sie den Kopf. Sie sah aus wie eine Königin, die einen Erlass bekannt gab. „Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass es nicht darum geht, Sie zufriedenzustellen.“
Ihr wichtigtuerischer Ton amüsierte ihn nicht so, wie er es eigentlich hätte tun sollen. „Da ich Herr in diesem Haus bin, geht es nur darum, mich zufriedenzustellen.“ Na, wer klingt jetzt wichtigtuerisch? fragte er sich.
Sie winkte ungeduldig ab und fuhr beharrlich fort: „Sie müssen an die Gefühle Ihrer Dienstboten denken. Sie möchten sich auf Ihre Ankunft vorbereiten, Ihren Anforderungen gerecht werden und eigene Maßstäbe setzen.“ Sie biss die Zähne zusammen. „Auch wenn Sie keine haben.“
Er blinzelte und begann lauthals zu lachen. Die letzte Bemerkung war unverzeihlich rüde, aber sie scheute sich offenbar nicht, ihn zu beleidigen.
Natürlich nicht. Sie war eine gebürtige Westruther und die Westruthers waren schon immer über billige Höflichkeiten erhaben.
Sein Gelächter schien sie zu überrumpeln. Verwirrt runzelte sie die Stirn, als könnte sie sich seine Erheiterung nicht erklären. Sie wirkte, als würde sie niemals über sich selbst lachen! Das war bedauerlich. Es wäre gewiss gut, wenn man sie hin und wieder von ihrem hohen Ross herunterholen würde.
Constantine Black wurde ernst. Es war offenbar an der Zeit, die Fronten zu klären! „Das Personal wird mit meinen Gewohnheiten zurechtkommen müssen. Ich bin sprunghaft. Wenn ich irgendwohin gehen möchte, dann gehe ich. Ich frage nicht um Erlaubnis und ich kündige mein Vorhaben auch nicht Wochen vorher an.“
Und, hätte er am liebsten hinzugefügt, wie kommen Sie eigentlich auf die Idee, Sie hätten ein Mitspracherecht bei meiner Haushaltsführung? Aber Constantine fand es herzlos, sie daran zu erinnern, dass sie hier nichts mehr zu sagen hatte, und verkniff sich den Gedanken. Hätte Frederick ihn nicht zu sich bestellt, hätte er einen Monat gewartet, statt sie so zu überrumpeln. Jetzt konnte er unmöglich nachgeben.
Sie sog die Luft zischend zwischen ihren Zähnen ein und ihre Wangen röteten sich auf höchst kleidsame Art. Es schien ihr Schmerzen zu bereiten, weiter über dieses Thema zu sprechen. „Dann wollen Sie also tatsächlich heute hier übernachten?“
Er verneigte sich. „Wenn es Ihnen recht ist, Madam.“ Die Bemerkung diente nur ihrer Beschwichtigung. Es stand nicht in ihrer Macht, ihn aus seinem eigenen Haus zu vertreiben, und das wusste sie genau.
Lady Roxdale wandte langsam den Kopf von ihm ab und verbarg ihr Gesicht vor ihm. Das schwache Licht von einem Kerzenleuchter zauberte einen rötlichen Schimmer auf ihr Haar, der ihm zuvor nicht aufgefallen war. Seine Augen folgten der Spur einer langen Locke, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte. Constantine Black strich in Gedanken darüber, bis er ihren Hals erreicht hatte. Er stellte sich vor, wie er mit seiner Fingerspitze in den Schatten ihres Schlüsselbeins eintauchte ...
Bei Gott, sie war trotz ihrer Verschlossenheit, ihrer missbilligenden
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