Der Lord ihres Herzens
Dienstmädchen hinterher. „Aber ... aber das können Sie doch nicht machen.“
Constantine zog die Augenbrauen hoch. „Ach ja? Wer sagt, dass ich das nicht kann?“
„Tante Jane.“
„Tante Jane darfst du ruhig mir überlassen“, erklärte Constantine. Er würde mit ihr darüber reden, dass der anstrengende Stundenplan reduziert werden müsse. Natürlich musste Luke auf die Härten des Internatsunterrichts vorbereitet werden, aber ihn zu hart anzufassen
würde ihm die Schule sicher nur verdrießen. Außerdem gab es im Leben weit mehr zu lernen, als man in einem Lateinlexikon fand.
Er kniete sich vor die Truhe und griff hinein, reichte Luke ein Stück nach dem anderen und erläuterte ihm dessen Herkunft und Bedeutung. Constantine kaufte nichts um des bloßen Besitzens willen. Jedes Stück hatte eine Geschichte und erzählte von exotischen Ländern und merkwürdigen Gebräuchen.
Constantine hatte nicht viel Erfahrung mit Knaben in Lukes Alter, doch der Junge wirkte auf ihn neugierig und intelligent. Es gefiel ihm, dass Luke über seine Sammlung ebenso staunen konnte wie er selbst. Er hätte eigentlich erwartet, dass sie ihn schnell langweilen würde.
Ein Dienstmädchen unterbrach sie. „Mylord, bitte um Verzeihung, aber wohin soll der Malachittisch?“
Constantine erhob sich. „Entschuldige mich einen Augenblick.“ Dann wies er auf die Truhe. „Kram noch ein bisschen weiter darin herum. Vielleicht findest du noch etwas Interessantes.“
Als er zurückkehrte, betrachtete Luke gerade ein teleskopförmiges Objekt.
„Ah, du hast das Kaleidoskop gefunden. Weißt du, wie es funktioniert?“
Luke schüttelte den Kopf.
„Halte das Ende hier an ein Auge und mach das andere Auge zu. Genau, so.“ Er beobachtete, wie Luke in die Linse blinzelte. „Und jetzt musst du es hier drehen.“ Er streckte die Hand aus und drehte vorsichtig am Ende des Spielzeugs.
Der Knabe krähte vor Entzücken, als sich die bunten Splitter zu immer neuen Mustern formierten. Das Kaleidoskop nahm ihn völlig gefangen, während Constantine sich den Rest der Truhe ansah.
Schließlich fand er, wonach er gesucht hatte. Ein Spielzeug aus seiner eigenen Kindheit, das ihn an glücklichere Zeiten erinnerte.
„Sag mal, Luke“, begann Constantine, „hast du schon einmal Fuchs und Gänse gespielt?“
Jane suchte Luke im ganzen Haus, ehe sie zu dem Schluss kam, der Lauser sei wahrscheinlich ins Dorf oder an irgendeinen anderen interessanten Ort ausgebüxt, statt sich zu seinem Hauslehrer zu setzen. In Fredericks Wohnzimmer hätte sie ihn wirklich nicht erwartet.
In Constantines Wohnzimmer, korrigierte sie sich, als sie das Durcheinander überall sah.
Wie er da so lässig und entspannt auf dem Teppich lag, sah Constantine aus wie ein Sultan oder Pascha. Er hatte sich seitlich auf den Unterarm aufgestützt. Um ihn herum lagen verstreut exotische Kunstwerke wie Kriegsbeute oder Geschenke ausländischer Prinzen, die seine Gunst zu gewinnen suchten. Inmitten all dieser Herrlichkeit waren Luke und er offenbar in ein Spiel vertieft.
„Da bist du ja, Luke!“, sagte Jane und stemmte die Hände in die Hüften.
Liegend sah Constantine durch eine Locke zu ihr herauf, die ihm in die Stirn fiel. Er lächelte sie bedächtig und einladend an. Jane spürte ein Prickeln. Heiße Erregung breitete sich in ihrem Bauch aus.
Seit jenem schrecklich peinlichen Zwischenfall in der Schreibkammer hatte sie sich bemüht, nicht mehr mit ihm allein zu sein. Damals war sie so wütend auf sich gewesen, weil sie ihren Plan nicht durchgezogen hatte. Nach einigem Nachdenken hatte sie allerdings erkannt, dass Constantine ihr in Bezug auf ihre Beziehung niemals die Entscheidungsgewalt überlassen würde. Ihre Anstrengungen waren ganz umsonst gewesen.
Er hatte sie abschrecken wollen.
Constantine erhob sich und strich sich über das Haar, um es zu glätten. Wieder einmal gab er den korrekten englischen Gentleman.
Jane brauchte ein paar Augenblicke, um sich ihre Verärgerung wieder in Erinnerung zu rufen. Sie wandte sich zu dem Jungen. „Luke, hast du eine Ahnung, wie spät es ist?“
Luke rappelte sich auf die Füße. „Tut mir leid, Tante Jane. Lord Roxdale hat mir gezeigt, wie man Fuchs und Gänse spielt.“ Er freute sich wie ein Kobold. „Ich habe gewonnen.“
„Anfängerglück!“, protestierte Constantine und zauste Luke die Haare.
Wie war es Constantine nur gelungen, Luke in so kurzer Zeit für sich zu gewinnen? Sie hätte eher gedacht, dass er mit
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