Der Lord ihres Herzens
reichlich Stoff zum Nachdenken gegeben“, sagte er nach langem Schweigen. „Mir war nicht klar, wie sehr Sie an dem Jungen hängen. Verzeihen Sie, wenn ich hart gewirkt habe. Ich sehe erst jetzt, dass ich mir ein Urteil erlaubt habe, ohne alle Umstände zu kennen.“
Er nahm eine geschnitzte Jadekugel von der Anrichte und starrte gedankenverloren auf sie hinab, während er sie in seinen Händen wendete.
Sie hielt den Atem an. Hieß das, er überlegte, ob er sie heiraten sollte? Sie wagte nicht zu hoffen.
Sie wartete, alle Sinne auf seine nächsten Worte gerichtet.
Doch Constantine sagte nichts mehr. Er schien völlig vertieft in die Schnitzereien der Jadekugel. Mit zittrigem Seufzen wandte sie sich um und überließ ihn seinen Gedanken.
Die Korrespondenz, die Constantine am nächsten Morgen am Frühstückstisch fand, bestand größtenteils aus Beileidsschreiben und kaum verhüllten Glückwünschen. Constantine fand es amüsant, dass die Leute, die ihn nun einen Freund oder Bekannten nannten, noch vor wenigen Wochen bei einem unverhofften Treffen die Straßenseite gewechselt hätten.
Die Post brachte selten gute Neuigkeiten. Gestern hatte er einen Brief von seinem Bankier bekommen, in dem dieser ihn über die Verluste informiert hatte, die er durch den Verkauf seiner langfristigen Anlagen erlitten hatte.
Constantine hatte ihn angewiesen, den Erlös in gewisse kurzfristige, hoch riskante Unternehmungen zu stecken. Er hätte abwarten können, bis seine vorsichtigeren Investitionen Früchte trugen, aber für die Weberei wäre das zu spät gewesen. Er musste auf unerwartete Gewinne aus verschiedenen kurzfristigen Spekulationen hoffen.
Den Vorabend hatte er damit zugebracht, seine Vermögenswerte mit den Schulden bei Bronson zu verrechnen, und er war zu dem Schluss gekommen, dass er Jane in der Tat heiraten musste. Wenn seine Spekulationen nicht noch riesige Gewinne einfuhren, blieb ihm kein anderer Weg, um die Weberei zu retten.
Doch der größte Anreiz war Janes Liebe für Luke, die geradeso deutlich zutage getreten war. Es wäre grausam, die beiden voneinander zu trennen.
Der Tag hatte voller Überraschungen gesteckt. Er hatte in sich den heimlichen Wunsch entdeckt, den kleinen Jungen zu beschützen und zu führen. Dieser Wunsch war lachhaft, wenn man sich Constantines Vergangenheit vor Augen führte, aber darum nicht weniger stark. Frederick hatte die Rolle des Unterweisers verschmäht, da Luke in seinen Augen nicht standesgemäß war. Dem Jungen fehlte der männliche Einfluss, aber das würde sich ändern.
Constantine wollte die Weberei retten und er wollte das Beste für Luke.
Er hatte sich entscheiden. Er würde Jane heiraten.
Aber er kannte sich gut genug mit Frauen aus. Er wollte ihr seine Entscheidung nicht einfach mitteilen. Er wollte um seiner selbst willen geheiratet werden und nicht als Mittel zum Zweck. Jane sollte ihn begehren und es blieb ihm immer noch genügend Zeit, ihr den Hof zu machen und sie zu verführen.
Seine eigene Arroganz entlockte Constantine ein zynisches Lächeln. War es nur sein Stolz, der ihn dazu veranlasste, zu solchen Taktiken zu greifen? Oder war es der instinktive Wunsch, Jäger zu sein und nicht der Gejagte?
Egal. Ihm blieb noch ein Monat, ehe er seine Schulden bei Bronson begleichen musste. Das war Zeit genug.
Beim weiteren Durchsehen der Post fiel ihm ein offiziell wirkender Brief auf. Er öffnete ihn und fluchte.
Es war eine Forderung von Bronson. Constantine überflog den kurzen Brief. Er wurde aufgefordert, die Hypothek binnen 30-Tagen zurückzuzahlen. Als wüsste er das nicht! Weiter machte Bronson ihm klar, er habe jede Absicht, die Hypothek für verfallen zu erklären, wenn die Schuld nicht bis zum letzten Penny und mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt werde.
Bronson schrieb, er werde einen Agenten schicken, der die Weberei mit Blick auf die Verfallserklärung schätzen solle.
Eine musikalische Stimme unterbrach seine Verwünschungen. „Oh, lieber Himmel, die Luft hier drinnen wird ja richtig blau.“ Constantine funkelte seine Verwandte unwirsch an. In ihrer Stimme lag ein neckendes Lachen, doch er war jetzt nicht in der Stimmung für leichtfertige Späße. Seine Tante trat zu ihm und er erhob sich. „Wie bitte?“
Lady Arden winkte lässig ab. „Setz dich doch bitte wieder.“
Sie wandte sich ab, um sich aus den Servierschüsseln auf der Anrichte zu bedienen. Nachdem sie ein paar ausgewählte Leckerbissen auf ihren Teller gelegt hatte, ging sie
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