Der Lord und die Betrügerin
er sich bereits angeboten, nach der störrischen Lady zu suchen. Bis jetzt war ihm das allerdings nicht gelungen. Drei Tage waren vergangen seit der Nacht, in der Kiera, die so getan hatte, als sei sie ihre ältere Schwester, Penbrooke verlassen hatte. Josephs Magen zog sich zusammen, wenn er daran dachte, was Lady Kiera von dem Baron von Penbrooke würde erdulden müssen, wenn die Wahrheit ans Licht kam. Und das alles nur wegen Lady Elyn. Also, was war mit ihr geschehen? Wo zum Teufel war sie? Die Antwort, so schien es Joseph, wusste nur Brock von Oak Crest. Und daher war er, in der Hoffnung, Elyn zu finden und sie zurück nach Lawenydd zu bringen, hierher geritten, als sei der Satan persönlich hinter ihm her. Doch leider war es Joseph unmöglich gewesen, seinen Pflichten so schnell zu entkommen, und es hatte einen vollen Tag gedauert, bis er von Lawenydd hatte losreiten können, und dann noch einen weiteren Tag, bis er Oak Crest erreicht hatte. Heute hatte er seine Zeit vergeblich damit verbracht, etwas über Lady Elyn zu erfahren. Und während die Zeit verging, wusste er, dass er in Lawenydd vermisst werden würde.
Nun, daran konnte er nichts ändern.
Manchmal gab es Pflichten, und zu anderen Zeiten muss- ten eben diese Pflichten für eine größere Sache geopfert werden. Die Suche nach Lady Elyn war die wichtigste Sache von allen.
Verstohlen schlich er in die Ställe, er war erschöpft. Der beißende Geruch von Urin stieg ihm in die Nase, gemischt mit Staub und dem Geruch nach Pferden - das hier war endlich bekanntes Gebiet für ihn. Er war mit Pferden aufgewachsen, und deshalb fühlte er sich zum ersten Mal, seit er Lawenydd verlassen hatte, auf vertrautem Boden.
Nachdem er sein Pferd im Wald zurückgelassen hatte, angebunden in einem Dickicht von Eichen, durch das ein Bach floss, aus dem das Tier trinken konnte, war er mit einer Gruppe Bauern durch die Tore des Schlosses geschlüpft. Er war untergetaucht zwischen den Bauern, den Händlern und Hausierern, die ihre Waren anboten. Es war ihm sogar gelungen, einige der Gebäude zu durchsuchen und auch die Schlosshöfe. Er hatte den Unterhaltungen der Handwerker gelauscht und auch dem Klatsch der Frauen, die Eier einsammelten oder Wäsche aufhängten. Das Schloss war voller Aktivitäten wegen der bevorstehenden Hochzeit des Sohnes des Barons, Sir Brock, und Lady Wynnifrydd von Fenn.
»Sie ist eine herrische Person«, hatte eine alte Frau an diesem Morgen einer anderen anvertraut, während Joseph sich eine Axt genommen und Feuerholz geschlagen hatte. In den letzten Tagen hatte es ständig geregnet. Obwohl der Regen ab und zu eine Pause einlegte, hatte er die Kapuze seines Umhangs über den Kopf gezogen und den beiden Frauen den Rücken gekehrt. So hatte niemand auf ihn geachtet. »Sir Brock wird alle Hände voll zu tun haben mit dieser Frau.«
»Es ist ein Jammer«, hatte die andere Frau gekichert, »mit einer Xanthippe verheiratet zu sein.« Sie hatte herzlich gelacht, während ihre Freundin verächtlich schnaufte. Joseph hatte einen Blick über die Schulter gewagt. Die kleinere Frau hatte ihren Korb mit Eiern gefüllt, während die Wäscherin die Laken von der Leine genommen hatte, ehe es erneut zu regnen begann.
»Das hat er verdient, findest du nicht auch? Und dann wird sein Vater ihn endlich los sein. Sir Brock kann eines Tages Lord von Fenn werden, und ich sage dir, es ist gut, wenn er mal weg ist. Er wird uns eine Weile nicht mehr belästigen, nicht, bis Baron Nevyll, Gott sei seiner Seele gnädig, stirbt.« Sie hatte schnell das Kreuz vor ihrer Brust geschlagen. Dann hatte sie die halb trockenen Laken in einen großen Korb gestapelt. »Ich glaube, Lady Wynnifrydd möchte, dass er in Fenn bleibt, solange Lord Nevyll noch lebt. Hast du gesehen, wie verächtlich sie auf uns hinuntersieht mit ihrer langen Nase und wie ihre Nasenflügel sich blähen? Es sieht so aus, als wäre Oak Crest nicht gut genug für eine wie sie.« Die Wäscherin schnaufte unwillig. »Nein, sie wird nicht hier bleiben wollen, keine Sekunde lang, nachdem sie erst einmal den Ehering von Sir Brock bekommen hat.«
Joseph hatte aufmerksam zugehört, während er unter ein Vordach in der Nähe der Hütte des Steinmetzes getreten war und ein Stück Eichenholz auf den Hackklotz gestellt hatte.
»Dann kann er die Röcke der Weiber in Fenn heben und unsere Mädchen endlich in Ruhe lassen. Ein geiler Kerl ist dieser Brock, und wie ich höre, ist er auch grob.« Die Frau, die die Eier
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