Der Lord und die Betrügerin
Engel, und das werde ich nicht dulden. Hast du mich verstanden?«
Tot? Elyn? Nein! Josephs Knie drohten nachzugeben, und er konnte nicht mehr atmen. Lady Elyn war nicht tot. Das konnte nicht sein. Und dennoch dröhnten die Worte in seinen Ohren, und die Stimmen schienen aus großer Entfernung zu kommen, er hörte ihr Echo, als kämen sie durch einen langen Tunnel.
»Du vergisst dich. Ich werde schon sehr bald der Lord hier sein, du bist nur meine Braut.«
»Ich bin eine Frau, die die Wahrheit über dich kennt, Brock, sei also vorsichtig.«
»Ich kann mit dieser Lüge nicht leben.«
»Nicht? Mit wie vielen Lügen lebst du denn schon?«, spottete sie und zog verächtlich die Augenbrauen hoch, während das Feuer einen goldenen Schein an die morschen Wände warf. »Und jetzt muss ich zurück in mein Zimmer, denn niemand darf uns vor der Hochzeit zusammen sehen. Das bringt Unglück, wird behauptet.«
»Es hat längst Unglück gegeben.«
Durch ihren Körper ging ein Ruck, dann kam sie auf ihn zu. Obwohl sie ein gutes Stück kleiner war als er, starrte sie doch in einer Weise zu ihm auf, als würde sie verächtlich auf ihn hinuntersehen. »Das wird sich schon bald ändern. Zum Besseren. Du wirst nicht nur der Lord von Oak Crest sein, sondern auch der Lord eines feinen Schlosses, das viel großartiger ist als dieses hier, wenn mein Vater stirbt und du Baron von Fenn wirst. Vertrau mir, Liebling, dein Geheimnis wird nie ans Licht kommen, und ich werde deine Frau sein. Egal, was vorher geschehen ist, es ist nicht wichtig. Zusammen werden wir Oak Crest wieder zu seiner alten Blüte bringen und über Fenn herrschen. Wir werden die beiden Schlösser zu der stärksten Baronie in ganz Wales machen. Also, lass mich jetzt nicht im Stich, Brock, jammere nicht und duck dich nicht. Sei der starke Mann, den ich kenne und liebe, der rücksichtslose Mann, den ich bewundere. Sei mein Ehemann.« Mit diesen Worten wandte sie sich um und stolzierte zur Tür. Dort spähte sie zuerst vorsichtig hinaus, ehe sie im Flur verschwand und, wie Joseph annahm, zu ihrem eigenen Zimmer eilte, um dort auf den Beginn der Zeremonie zu warten.
Joseph hatte nicht mehr viel Zeit. Er würde sich beeilen müssen. Sir Brock war ein großer, starker Mann, doch an diesem Abend schien er kraftlos zu sein, und Joseph war sicher, dass er ihn würde übertölpeln können. Oh, wie sehnte er sich danach, diesem Bastard den Hals aufzuschlitzen! Der Gedanke, dass Elyn seinetwegen gestorben war, war mehr, als Joseph ertragen konnte. Aber zuerst musste er die Wahrheit herausfinden, und nur dieser Bastard kannte sie.
Joseph wartete geduldig den richtigen Zeitpunkt ab. Sorgfältig war er darauf bedacht, reglos in seinem Versteck zu verharren. Er musste vorsichtig sein, durfte jetzt keinen Fehler machen, nicht, nachdem er die niederschmetternde Nachricht von Elyns Tod erfahren hatte. Rache würde genommen werden müssen, und wer könnte das besser tun als er? Er nahm die Hand vom Griff seines Messers und holte ein ledernes Band aus seiner Tasche - eine passendere Waffe, denn es war die Leine, mit der Lady Elyns Stute festgebunden gewesen war. Jetzt würde er damit diesen Bastard erdrosseln, der Elyn verführt und wahrscheinlich sogar umgebracht hatte. Ein entschlossenes Lächeln lag um Josephs Mund, als er die beiden Enden der Leine um seine Fäuste wickelte.
Mit angespannten Muskeln und einem leichten Zucken unter dem Auge wartete Joseph, bis Brock einen Becher Wein geleert hatte und dann ins Feuer starrte, den Rücken dem Alkoven zugekehrt. Das Feuer knisterte, durch die dicke Tür hörte man gedämpfte Unterhaltungen im Flur, und irgendwo raschelte eine Maus oder eine Ratte in den Binsen, die Klauen machten ein kratzendes Geräusch auf dem Boden. Insgeheim bekreuzigte Joseph sich, dann schickte er ein Stoßgebet zum Himmel, schob vorsichtig den Vorhang zur Seite und schlich durch das Zimmer. Brock saß bewegungslos auf seinem Stuhl und wandte sich nicht um. Er war viel zu versunken in seinen düsteren Gedanken und seinem Selbstmitleid.
Joseph schlug zu wie ein einsamer, hungriger Wolf. In einer schnellen Bewegung schlang er den Lederriemen um Brocks Hals. Der große Mann keuchte auf, er wehrte sich, fiel beinahe von seinem Stuhl, während er mit der einen Hand hilflos nach dem Riemen griff und mit der anderen nach seinem Dolch. Brock war stark, er war verzweifelt, er drehte und wand sich, doch Joseph zog unbarmherzig zu. »Das ist für Lady Elyn, du dreckiger
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