Der Lüge schöner Schein
Sein Haus steht da drüben hinter der Anhöhe. Dahinter fällt das Gelände ab, hauptsächlich Wald, zum Dorf hinunter.«
»Der Wald hinter dem Brookside Cottage?«, erkundigte sich Backhouse.
»Genau. Aber es gibt keinen direkten Zugang. Zumindest nicht mit dem Auto. Man müsste die Straße entlangfahren und den alten Zufahrtsweg hinauf.«
»Sieht aus, als ob diese Strecke ziemlich regelmäßig benutzt worden wäre«, bemerkte Backhouse, der den Boden gründlich inspizierte. »Warum wohl? Und wer würde ein Loch in den Stacheldraht schneiden?«
»Das kann ich wirklich nicht sagen, Sir. Glauben Sie, dass Hopkins da drinnen liegt?«
»Weiß ich noch nicht. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich möchte, dass er da liegt. Praktisch wär’s. Aber ich weiß es nicht.«
Crowthers Warnung völlig vergessend, schlenderte er zurück an den Rand, in Gedanken bei den rätselhaften Zeilen, die man im Wagen gefunden hatte. Der Zettel wurde in der Zentrale gerade einer äußerst gründlichen Untersuchung unterzogen. Fingerabdrücke, Handschrift, Papiertyp, alles würde auf das Sorgfältigste unter die Lupe genommen werden. Aber die Geistesverfassung des Schreibers war es, die Backhouse eigentlich interessierte. War der Brief das Geständnis und der letzte verzweifelte Aufschrei eines Mannes, der gleich darauf ins Wasser gehen würde? Vielleicht. Hopkins war offenbar so was wie ein Original gewesen. Vielleicht lohnte es sich, die Meinung dieses anderen höchst eigenwilligen jungen Mannes, Sergeant Pascoe, einzuholen. Sofern das machbar war, ohne eine Explosion auszulösen.
Der Abschleppwagen kam aus dem waldigen Tunnel, in dem der Mini abgestellt worden war. Backhouse drehte sich um und beobachtete das Manöver. Der Lastwagen konnte nicht auf die Piste zurück, solange der Mini noch im Unterholz steckte. Deshalb fuhr er direkt auf ihn zu. Eine Schrecksekunde lang dachte Backhouse, der Wagen würde nicht stehen bleiben, aber einen knappen Meter vor ihm schlug der Fahrer das Lenkrad endlich ein. Durch die enge Lücke im Draht wäre er ohnehin kaum durchgekommen.
Eines der Räder des Lasters verlor einen Moment die Haftung auf dem weichen Untergrund und begann durchzudrehen. Dummerweise gab der Fahrer Gas, und im nächsten Augenblick drehten beide Räder durch.
Idiot, dachte Backhouse, der aus irgendeinem Grund plötzlich taumelte. Ein Schwächeanfall?, fragte er sich. Das erste Warnsignal für einen Schlaganfall? Es war beängstigend, als ob der Boden unter ihm nachgeben würde.
»Superintendent!«, schrie Crowther.
Backhouse, noch immer verwundert, machte einen Schritt, und dann einen Sprung auf ihn zu, als klar wurde, dass sich der Boden unter ihm tatsächlich bewegte.
Crowther packte ihn an der Hand und zog ihn mit aller Kraft von der Grube weg. Das war jetzt auch wieder nicht nötig, dachte Backhouse, als er sich umwandte und zurückschaute. Zwei Sekunden später rutschte ein langes Stück Erde, einschließlich dessen, auf dem er gerade noch gestanden hatte, in die Tiefe, war plötzlich verschwunden, einfach so. Man sah kaum einen Unterschied. Wären da nicht die Pfosten für den Zaun gewesen, die nun haltlos ins Leere hingen, hätte man gar nicht bemerkt, dass etwas passiert war.
»Sehen Sie zu, dass dieses Ding hier verschwindet, bevor es noch mehr Schaden anrichtet!«, befahl Backhouse und deutete auf den Lkw.
»Wenn er unter dem kleinen Haufen liegt, Sir, wird es schwierig werden, ihn zu finden«, sagte Crowther.
»Wir finden ihn, keine Bange«, antwortete Backhouse. »Und wenn er unter einem Berg begraben wäre.«
»Hallo! Peter?«, sagte Ellie unsicher, die an der offenen Haustür stand.
»Hallo, mein Schatz.« Pascoe erschien in der Diele. »Komm rein.«
Noch immer verwirrt, kam Ellie herein und folgte ihm in ein gemütliches, zeitlos altmodisches Wohnzimmer.
»Was machst du hier?«, fragte sie. »Besser gesagt: Was machen
wir
hier? Hier wird nicht zufällig gerade dezent die Kulisse für einen Heiratsantrag aufgebaut? Weil ich den nämlich ablehnen werde, wenn das deine Vorstellung vom trauten Heim ist!«
»Ist doch nicht schlecht«, protestierte Pascoe. »Sehr kuschelig.«
»Ach, kuschelig ist es also! Riecht sehr nach der Überzeugung, dass eine Frau an den Herd gehört. Und es geht auch so was von einem viktorianischen Paterfamilias von dir aus.«
»Es gibt schlimmere Schicksale«, sagte Pascoe.
»Was
machen
wir hier, Peter?«
»Katzen suchen. Oder besser gesagt:
eine
Katze suchen. Die
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