Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
werde. Der Bericht endete mit der Erwähnung der anderen Todesfälle in dem Gewässer.
    »Du hast doch gesagt, sie haben ihn gefunden«, sagte Pascoe vorwurfsvoll.
    »Haben sie ja mehr oder weniger«, erwiderte Ellie, aus deren Gesicht alle Farbe gewichen war.
    »Überhaupt nicht. Kannst du dir Colin als Selbstmörder vorstellen?«
    »Käme darauf an, was er getan hat.«
    Pascoe legte sich die Hand auf die Stirn und schloss fest die Augen. Nacht. Wind in den Bäumen. Das Mondlicht fällt durch die dahinziehenden Wolken und schimmert auf dem gekräuselten Wasser. Ein Schritt nach vorne. Das klang allzu sehr nach Schauerroman.
    Und dann, nicht dagegen anzukämpfen! Colin war ein guter Schwimmer gewesen. Es konnte
unmöglich
wahr sein!
    Aber alles andere war wahr. Er hatte es selbst gesehen, Carlo und Timmy tot auf dem Boden und zu allem Überfluss Rose, die am Fuß der Sonnenuhr verblutete. Wenn das wahr war, dann konnte alles wahr sein.
    »Komm«, sagte er auf einmal. »Gehen wir. Dalziel wird mir sagen, was wirklich los ist.«
    »Ich weiß nicht, ob ich das schaffe«, sagte Ellie niedergeschlagen. »Ich bleibe hier, Peter. Geh du.«
    »Nein, mein Schatz«, sagte er. »Du sollst nicht mit mir kommen. Du fährst ins College, wie es sich für eine brave Dozentin gehört. Dafür schmeißen sie dir ja schließlich auch das viele Geld nach. Also, machen wir uns auf die Socken.«
    Wichtig war, nicht herumzusitzen. Je mehr man sich beschäftigte, desto weniger kam man ins Grübeln. Auf diese Art konnte man, zumindest eine Zeit lang, vermeiden, sich den Polizisten vorzustellen, der, unbeholfen in seinem steifen blauen Regenmantel, mit einem Bootshaken in den Tiefen der Grube herumstocherte, während die lecke, knarrende Nussschale ihr sorgfältig gewebtes Suchmuster über das dunkle Wasser zog.
    Rückwärts und vorwärts, rückwärts und vorwärts, bis der Haken sich verfing … Gott sei Dank gab es jede Menge zu tun.
     
    Es war nicht ganz so, wie Pascoe es sich vorstellte. Das Boot war zwar da und nahm die Suche dort wieder auf, wo die Dunkelheit sie am Abend des Vortags unterbrochen hatte, doch das warme Wetter des vergangenen Wochenendes war zurückgekehrt und im Wasser der Lehmgrube spiegelten sich der blaue Himmel und die Morgensonne. Es wäre richtig idyllisch gewesen, wäre nicht durch das Herumstochern im Tümpel dieser üble Geruch aufgestiegen. Auf jeden Fall würde im Laufe des Tages die Jackenpflicht gelockert werden, dachte Backhouse. Von allen Jahreszeiten war ihm der Altweibersommer die liebste. Er war eine Trost spendende Allegorie der Lebensmitte, eine goldene Zeit der Wärme und Reife, mit gerade so viel Wehmut, dass sie noch reizvoll, aber nicht deprimierend war.
    Es wäre schön, sich ein paar Tage davonzustehlen und es sich in jenem kleinen ummauerten Obstgarten in Dorsetshire in Gesellschaft Prousts gemütlich zu machen. Er lag, wie ein Vorgeschmack auf den Garten Eden, hinter dem Bauernhof seines Bruders. Das wäre sogar sehr schön. Der Preis dafür war schnell ermittelt. Eine vom Wasser aufgedunsene, verfaulende Leiche, widerstrebend an die sonnenbeschienene Wasseroberfläche gezerrt, auf die er soeben starrte. Er hatte so etwas schon früher miterlebt. Bei keiner anderen Todesart zeichnete sich für ihn die Verzweiflung so deutlich im Gesicht eines Menschen ab. Wahrscheinlich war es eine Frage der Zeit. Andere Todesarten mussten sich damit bescheiden, was sie zum tatsächlichen Sterbezeitpunkt mit den Zügen eines Menschen anrichten konnten. Nur Wasser arbeitete weiter, glättete, formte, nachdem das Leben schon entflohen war.
    Ein paar Tage im Obstgarten wären teuer erkauft.
    »Hallo, Superintendent!«
    Es war French, der Coroner, zweckmäßig in Gummistiefeln, die wahrscheinlich den Bug in der Hose seines gut sitzenden Landadvokatenanzugs ruinieren würden.
    »Schon was gefunden?«
    »Nein, Sir.«
    »So ein ekelhafter Ort«, sagte French. »Ich habe schon zu viele Untersuchungen in Zusammenhang mit diesem Gewässer geleitet.«
    »Noch wissen wir nicht mit Bestimmtheit, dass dies auch eine wird.«
    »Nein. Natürlich nicht. Sieht aber ganz danach aus. Die erste Untersuchung war mein allererster Einsatz. Die Frau des armen Pelman – Sie wissen es sicher noch?«
    »Nur aus den Zeitungen, Sir.«
    »Und dann war da noch dieser Junge. Danach haben sie diesen Zaun hierherum gezogen. Völlig unzureichend.«
    »Ganz besonders, wenn jemand mit einer Drahtschere ein Loch hineinschneidet«, stimmte

Weitere Kostenlose Bücher