Der Lügner
unterlassen, vor einem pensionierten Lehrer dieMütze zu ziehen, der die High Street hinabspazierte und der Adrian nie als zum Abmützen verpflichtende Wesenheit ausgewiesen worden war. Bei jeder von Sargents Schlafsaalordern in der betreffenden Woche hatte Purdys Name auf der Liste gestanden. Am fünften Tag war Adrian verlegen in Purdys Nische geschlichen und hatte sie leer vorgefunden.
»Der Vogel war ausgeflogen, meine alte Liebe«, hatte er Sargent zu erklären versucht, als er die unsignierte Notiz zurückbrachte. »Aber ich hab Purdys Kulturbeutel von seinem Nachttisch mitgehen lassen, womit ich beweisen kann, daß ich in seiner Nische war.«
An jenem Nachmittag hatten Sargent und Purdy sich auf dem oberen Sportplatz geprügelt. Danach wurde Adrian in Ruhe gelassen.
Natürlich konnten Präfekten sich auch Gefallen tun.
»Hey Hancock, da ist dieser affenstarke Rugbyschlächter in deinem Anfängerteam, wie heißt der gleich?«
»Was, meinst du Yelland?«
»Genau den. Echt fabelhaft. Du … äh … wüßtest nicht zufällig einen Weg, mir den morgen mal vorbeizuschicken, oder? So als kleines Nischenkätzchen?«
»Geht in Ordnung. Wenn du mir Finlay schickst.«
»Topp.«
Zu Anfang war Adrian alarmiert gewesen, als er bei seiner allerersten Schlafsaalorder merkte, daß der Präfekt, dessen Unterschrift er brauchte, nackt schlief, sich nur mit einem Bezug zudeckte und äußerst schwer zu wecken war. »Entschuldigung, Hollis, Hollis!« hatte er ihm verzweifelt ins Ohr gequiekt.
Aber Hollis hatte nur im Schlaf gestöhnt, einen Arm um ihn gelegt und ihn zu sich ins Bett gezogen.
Der einzige Teil der Schlafsaalordern, den Adrian wirklich genoß, war das Einbrechen. Offiziell waren alle Häuser bis sieben Uhr verschlossen, was es eigentlich als zwecklos erscheinen ließ, sich früher auf den Weg zu machen, um eine Order auszuführen und die Sache gemächlich anzugehen. Aber es gab die Fenster zu Speisekammer, Küche und Umkleideraum, die man aufbrechen konnte, und Schnappschlösser, die einem biegsamen Glimmerblatt nachgaben. Sobald man drin war, brauchte man sich nur in den Schlafsaal zu schleichen, auf Zehenspitzen in die Zielnische des Präfekten zu kriechen, seinen Wecker vorzustellen und ihn zu wecken. Auf die Weise konnte man um halb sechs oder sechs anfangen, Ordern auszuführen, und sich die Aufregung und Hektik sparen, es in vierzig Minuten zu schaffen.
»Genau«, sagte Adrian zu Bullock. »Zerbrich du dir darüber nicht dein hübsches kleines Köpfchen. Ich schätze, ich kenne einen Weg in jedes Haus.«
Zwei Tage später erwachte die gesamte Schule zu »Bullochse!«
Von drei Uhr morgens bis um halb sieben waren Tom, Adrian, Bullock und Sampson, Karten und Instruktionen folgend, die Adrian gezeichnet hatte, in die Häuser eingedrungen und hatten Hefte in Zimmern, Gemeinschaftsräumen, Bibliotheken und in Stapeln auf Treppenabsätzen zurückgelassen. Sie hatten niemanden gesehen und waren von niemandem gesehen worden. Zum Frühstück im eigenen Haus waren sie scheinbar genauso erstaunt und aufgeregt über die Zeitung wie alle anderen.
In der Schule gesellten sie sich vor der Morgenandacht zu den Scharen vor den schwarzen Brettern in der Kolonnade,zwitscherten über ihren Inhalt und versuchten zu raten, wer die Verfasser wohl waren.
Es war falsch gewesen, sich wegen der Finessen der anderen Beiträge Sorgen zu machen, die den seinen ausstechen könnten. Seine Mischung von zotigem Populismus war für die Schule viel interessanter als die abstrusen Pedanterien Bullocks und Sampsons und weit weniger aggressiv als Toms Stil einer offenen Feldschlacht. Die fiebrigsten Spekulationen des Tages drehten sich um die Identität des bittersüßen Nachtschattens. Wohin Adrian auch ging, er hörte, wie man Häppchen seines Artikels zitierte.
»He du da, Marchant. Hätteste Lust zu ’ner Runde Keksspiel?«
»Sie können euch die Haare abhacken, meine Kinder, aber sie können euch nicht die Lebensgeister abhacken. Wir gewinnen, und sie wissen es.«
»Eine Schule ist kein Wartezimmer des richtigen Lebens, es ist das richtige Leben.«
»Passiver Widerstand!«
»Stellen wir uns selbst einen Lehrplan zusammen. Bei ihren Prüfungen durchfallen, bei unseren bestehen.«
Die Schule hatte nie etwas Vergleichbares gesehen. In der Elfuhrpause am Morgen des Erscheinens gab es keinen anderen Gesprächsstoff in den Speisesälen.
»Los jetzt, gib’s doch zu, Healey«, sagte Heydon-Bayley zu Adrian, den Mund voller
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