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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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meinen Sie?« fragte der Tommy Nutter, dessen Gedächtnis für Codenamen selbst in den besten Momenten schwach war.
    »Genau. In Salzburg.«
    »Sie wissen ja, daß das hier einzig und allein Ihr Singvogel ist. Sie sind der einzige, der an Mendax glaubt. Ich muß immer an die Operation von 76 denken, ebenfalls gegen Odysseus. Was ist aus dem Spiel geworden?«
    Der Bennett, Tovey and Steele warf dem Tommy Nutter einen argwöhnischen Blick zu.
    »Was meinen sie mit Spiel?« fragte er. »Warum sagen Sie Spiel?«
    »Nun verlieren Sie nicht gleich das Toupet, alter Herr. Ich meine bloß, daß Sie, was Trefusis angeht, ein paar Schrullen im Schädel haben. Einige von uns fragen sich, warum. Das ist alles.«
    »Sie werden es noch herausfinden. Passen Sie auf. Es geht um folgendes. Ich habe nie gesagt, ich glaube an Mendax. Aber wenn es nicht existiert, warum sollten Odysseus und die Trojaner uns dann vom Gegenteil überzeugen wollen? Dem lohnt sich doch nachzugehen, oder?«
    »Puh«, sagte der Tommy Nutter. »Zumindest war es bislang eine billige Operation, das gestehe ich Ihnen zu. Aber bislang haben wir nicht das Fitzelchen eines Beweises, daß Szabó - wie heißt der noch gleich?«
    »Helena.«
    »Wir haben nicht das Fitzelchen eines Beweises, daß Helena etwas anderes ist als ein treuer Diener seines Staates. Die Trojaner haben ihm gerade einen Orden verliehen, verdammt noch mal.«
    »Um so mehr Grund, Odysseus zu verdächtigen.«
    »Warum überhaupt ›Helena‹? Schräger Codename für einen Mann.«
    Der Bennett, Tovey and Steele war nicht willens, dem Tommy Nutter eine kostenlose Lektion in Homerischer Mythologie zu erteilen. Wo war der Mann bloß zur Schule
gegangen? Die Krawatte erteilte keinen Aufschluß. Beaconsfield Conservatives wahrscheinlich oder irgendwas ähnlich Fadenscheiniges. Hadley Wood Golfclub. Carshalton Rotarier. Igitt.
    »Damals erschien das stimmig«, sagte er.
    »Oha«, der Tommy Nutter preßte einen Krümel ins Tischtuch. »Dann erzählen Sie mir mal von den Enkeln.«
    »Stefan ist Schachspieler. Er kommt in ein paar Monaten her, um hier zu spielen. Es sollte mich nicht wundern, wenn sie ihn an der langen Leine lassen.«
    »Und Sie möchten, daß ich die Mittel bereitstelle?«
    »Es wäre mir lieb, wenn das Geld verfügbar wäre, falls Sie das meinen. Überwachung zweiten Grades sollte ausreichen.«
    »Da muß ich mich morgen erst mal, wie man so sagt, mit dem Schatzamt kurzschließen. Kabinettsitzung nächste Woche. He, hören Sie, Sie wollen doch nicht rauchen, oder?«
    Meine Güte, dachte Bennett, Tovey and Steele. Bloß her mit der nächsten Labour-Regierung.

VIER
     
     

I
     
    Tim Andersen bedachte die Frage mit größter Sorgfalt.
    »Ich glaube nicht, daß der Vergleich mit
Oliver Twist
, und ich wäre der Letzte, der nicht eingestände, daß er etwas Verführerisches und Fesselndes hat, so stichhaltig ist, wie der erste Blick zu erlauben scheint.«
    »Aber die Gemeinsamkeiten, Dr. Andersori, sind doch wohl unstrittig. Wir haben eine heimliche Geburt im Armenhaus, wir haben eine Gruppe von Jungen, die von der Figur Polterneck zur Arbeit gezwungen werden, wir haben die Figur des Peter Flowerbuck, der seine eigenen Familienbande mit den Cotton-Zwillingen aufspürt, Mr. Brownlows Suche in
Oliver Twist
nicht unähnlich, wir haben Flinter, der wie Nancy Agens der Rache ist. Diese Parallelen sind doch gewiß bemerkenswert.«
    Gary schenkte Jenny und Adrian Meursault nach, ohne auch nur eine Sekunde lang die Augen vom Bildschirm zu wenden.
    »Ich hege durchaus nicht die Absicht, Ihnen die Präsenz narrativer Echos nicht zuzugestehen«, versetzte Tim Anderson, »aber ich fände mich auf jeden Fall mit persönlichen Schwierigkeiten konfrontiert, würde ich gebeten abzustreiten, daß es sich hierbei um den reifen Dickens von
Klein Dorrit
und
Bleakhaus
handelt. Ich spüre hier ein volleres Gemälde einer zusammenhängenden Welt, als es uns im
Twist
gestattet wird. Ich spüre einen heiligeren Zorn, ich sehe mich einer vollständigeren Vision gegenüber. Das Kapitel mit der Flutbeschreibung, die Szene, diedas Brechen der Themsedämme schildert und das Fortschwemmen der Lasterhöhle, ist ein antizipatorischeres und organischeres Ereignis als diejenigen, denen Leser früherer Romane sich ausgesetzt sehen. Ich würde mich dem Vorwurf des Irrtums aussetzen, wenn ich dem Argument Widerstand entgegenzusetzen versuchte, daß die Figur Flinters eine Weiterentwicklung sowohl Nancys als auch des verschlagenen

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