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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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wer weiß, fünfzig Jahre muß ich aufstehen und mich am Tag beteiligen. Ich habe zuwenig Vertrauen in mich, das alleine zu schaffen. Ich brauche jemanden, für den ich aufstehen muß.«
    »Aber liebst du sie?«
    »Ich bin ausgezeichnet vorbereitet für die lange Kürze des Lebens. Es gibt nicht die Bohne, worauf ich mich freuen könnte. Nichts, nitschewo, nada, rein gar nix. Der einzige Gedanke, der mir die Kraft geben könnte weiterzumachen, ist, daß jemand ein Leben hat, das durch mein Verschwinden aus ihm verarmen würde.«
    »Ja, aber liebst du sie?«
    »Langsam hörst du dich an wie Oliver im
Mamthonmann
: ›Ist es sicher? Ist es sicher?‹ – ›Klar ist es sicher. Es ist wirklich sicher.‹ – ›Ist es sicher?‹ – ›Nein, es ist nicht sicher. Es ist unglaublich unsicher.‹ – ›Ist es sicher?‹ Woher zum Teufel soll ich das wissen?«
    »Du liebst sie nicht.«
    »Ach, verpiß dich, Gary. Ich liebe keinen, nichts und niemanden. Na ja, ›keinen‹ und ›niemanden‹ laufen auf dasselbe hinaus, aber mir fällt nichts weiter ein. Apropos … diese verdammte Martini-Werbung hat mich jahrelang genervt, ›jederzeit, an jedem Ort, überall‹. Welchen verdammten Unterschied gibt es zwischen jedem Ort und überall? Irgendein Werbetexter hat für diesen Müll Tausende bekommen.«
    »Das ist Themenwechsel um hundertachtzig Grad. Du liebst sie nicht, oder?«
    »Hab ich doch grad gesagt. Ich liebe keinen, nichts und niemanden, niemals, nirgendwo, nirgends. Wer tut das schon?«
    »Jenny.«
    »Frauen sind anders, das weißt du doch.«
    »Ich auch.«
    »Männer sind auch anders.«
    »Schwule Männer, meinst du.«
    »Ich faß es einfach nicht, daß ich dieses Gespräch führen muß. Du findest, ich wäre wie Emma, nicht wahr? ›Schön, aufgeweckt und reich, bei einem sorgenfreien Zuhause und einem glücklichen Naturell war Adrian Healey offenbar mit einigen der erfreulichsten Vorzüge des Daseins gesegnet und hatte beinahe dreiundzwanzig Jahre fast ohne jeden Anlaß zu Ärger und Verdruß auf dieser Welt verbracht.‹«
    »›
Kummer
und Verdruß‹ steht da, soweit ich weiß. Die Beschreibung paßt wie jede andere.«
    »Wirklich? Also vielleicht hab ich ja ein paar von Jane Austens subtileren Andeutungen verpaßt, aber ich glaube nicht, daß Emma Woodhouse einen Teil ihres siebzehnten Lebensjahres als Dirne am Piccadilly verbrachte. Ich hab’s natürlich seit einigen Jahren nicht mehr gelesen, und einige der verblümteren Anspielungen waren mir vielleicht zu hoch. Auch scheint Miss Austen es zu vermeiden, Emmas Zeit im Knast, in Untersuchungshaft wegen Kokainbesitzes, zu beschreiben. Erneut bin ich nur allzu bereit zuzugestehen,
daß
sie saß und ich schlicht daran gescheitert bin, die Hinweise mitzukriegen.«
    »Wovon, verdammt noch mal, redest du eigentlich?«
    Und Adrian hatte ihm etwas aus seinem Leben zwischen Schule und Cambridge erzählt.
    Gary war immer noch ungehalten. »Du willst Jenny heiraten, ohne ihr etwas davon erzählt zu haben?«
    »Sei nicht so spießig, mein Lieber. Das steht dir absolut nicht.«
    Adrian verlor allmählich seine Illusionen über Gary. Anfang des Jahres hatte er begonnen, Kunstgeschichte oder, wie Adrian es gern nannte, Dunstgeschichte zu studieren, und seitdem hatte er sich zu verwandeln angefangen. Bondage-Hosen waren gebrauchten Tweedjacken gewichen, in deren Reverstaschen Hennesseide blühte. Die Haare hatten ihr natürliches Dunkel wiedererlangt und waren mit Pomade zurückgekämmt; von den Ohrläppchen baumelten weder Messer noch Gabel herab. The Damned und The Clash dröhnten nicht länger aus dem Zimmer über den Court, sondern Couperin und Bruckner.
    »Du brauchst nur noch einen Schnurrbart, um wie Roy Strong auszusehen«, hatte Adrian ihm einmal gesagt, aber Gary hatte das nicht im mindesten gestört. Er würde sich von der Welt nicht mehr als borstiges Spielzeug verhätscheln lassen und damit basta. Und jetzt hielt er Adrian Vorträge über die Ethik von Beziehungen.
    »Warum sollte ich es ihr überhaupt erzählen? Was macht das für einen Unterschied?«
    »Warum solltest du sie heiraten? Was macht das für einen Unterschied?«
    »Ach, hören wir doch auf, uns im Kreis zu drehn. Ich hab’s dir doch grad gesagt. Ich bin mit meinem Leben durch. Ich hab meine Zukunft hinter mir. Soll ich in die Werbebranche gehen? Lehrer werden? Mich bei der BBC bewerben? Stücke schreiben und die Stimme der Generation der aalglatten jungen Männer werden? Journalismus in Betracht

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