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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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etwas Dringendes und Ernsthaftes, das Adrian bedeutete, daß er gerade eine Art Signal bekam.
    Adrian war sich nicht sicher, ob er es zu deuten wußte. Er starrte verblüfft vor sich hin. Wollte der Präsident, daß er, als Donalds Freund, sich zu Wort meldete? Warnte er Adrian, sich nicht von seinen Gefühlen überwältigen zu lassen? Was? Er gab den Blick zurück, indem er seinerseits fragend die Augenbrauen hochzog.
    Als Antwort machte der Präsident eine »Plappern«-Geste mit der Hand.
    Clinton-Lacey war bekannt für seinen provinziellen Sinn für Humor, aber er meinte doch wohl mehr als bloß: Oh, dieser Menzies, der geht einem aber echt auf den Senkel, was?
    Adrian entschied, es müsse eine Bitte an ihn sein, etwas Verschleppung zu betreiben. Er schluckte nervös. Er war schließlich nur Student, und die Sechziger waren vorbei. Die Zeiten echter studentischer Mitbestimmung in den Gremien der Colleges waren lange vorbei. Er wurde als satzungsgemäßer Schluckauf geduldet, den zu beseitigen zu peinlich wäre. Er war da, um zuzuhören, nicht um mitzureden.
    Egal.
    »Dr. Menzies, glauben Sie nicht«, begann er, ohne daß er aufzusehen gewagt hätte, »daß das Wort ›Verbrecher‹ hier etwas stark ist?«
    Menzies nahm ihn ins Visier.
    »Vergeben Sie mir, Mr. Healey, Sie sind der Englischstudent. Ich bin bloß Anwalt. Was, um alles in der Welt, sollte ich über den Begriff Verbrecher wissen? In meinem Beruf benutzen wir das Wort, zweifellos aus schierer Unwissenheit, um jemanden zu bezeichnen, der das Gesetz gebrochen hat. Ich bin sicher, Sie könnten uns mit einem Aufsatz über die Ursprünge des Wortes unterhalten, der endgültig beweisen würde, daß ein Verbrecher eine Art mittelalterliche Armbrust ist. Was mich jedoch als Juristen angeht, ist der Mann ein Verbrecher.«
    »Also, meine Herren …«
    »Abgesehen von Dr. Menzies’ schwerfälligem Sarkasmus«, sagte Adrian, »muß ich sagen, daß ich mir über die Bedeutung von ›Verbrecher‹ vollständig im klaren bin und daß es ein ganz normales englisches Wort ist, kein juristischerTerminus, und ich lehne es ab, daß dieses Wort für Donald gebracht wird. Er klingt dadurch nach einem Profi. Ein Verbrechen macht noch keinen Verbrecher. Genausogut könnte man Dr. Menzies einen Anwalt nennen, bloß weil er vor dreißig Jahren kurz am Gericht praktiziert hat.«
    »Ich habe jedes erdenkliche Recht der Welt, Mr. President«, quiekte Menzies, »mich Anwalt zu nennen. Ich glaube, mein Renommee auf dem Felde des Rechtes hat dieser Institution nichts als Ansehen verschaffen können …«
    »Vielleicht wäre es nicht gänzlich unpassend, wenn ich an dieser Stelle etwas sagte«, sagte Tim Anderson. Sein Buch über Jean-Luc Godard hatte im
Granta
-Magazin gerade eine außergewöhnlich wohlwollende Rezension seiner Frau erhalten, und er war in weniger schwermütiger Stimmung als sonst.
    »Ich denke, das wäre kolossal unpassend«, kläffte Menzies.
    »Nun, das ist gewiß kein uninteressanter Aspekt«, sagte Anderson, »ich dachte jedoch eher daran, daß ich nur wenige Menschen kenne, die außerstande wären, angesichts der Strategien Zweifel anzumelden, die die Behörden in Situationen anzuwenden pflegen, die von der hier vorliegenden nicht eben eine Million Meilen weit abliegen, und ich glaube einfach nicht, daß das etwas ist, das anzusprechen oder zu konfrontieren wir zurückschrecken sollten. Das ist alles.«
    »Mir ist gerade von einem Studenten ins Gesicht gesagt worden, daß ich kein Recht habe, mich Anwalt zu nennen, Rektor«, sagte Menzies. »Ich erwarte eine Entschuldigung.«
    »Dr. Menzies ist Akademiker«, sagte Adrian. »Er ist in der Lehre tätig. Ich dächte doch, daß das ausreichend Beschäftigung für einen Mann ist. Ich bleibe dabei, daß er kein Anwalt ist. Jura ist rein zufällig das Fach, das er unterrichtet.«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich die Relevanz von alldem sehe«, sagte der Präsident, und in seiner Stimme lag etwas, das Adrian ihn ansehen ließ. Er rollte ein Auge in Richtung der Zimmerecke.
    Die Kameras!
    Seit Anfang dieses Jahres, Adrians drittem und letztem, mußte St. Matthew’s sich mit einem Fernsehteam auf dem Campus herumplagen. Deren Technik, zu einem Teil des Mobiliars zu werden, funktionierte so gut, daß sie erschreckend einfach zu übersehen waren. Sie waren zur sprichwörtlichen Fliege an der Wand geworden, und nur ihr gelegentliches, verwirrendes Surren erinnerte das College an ihre Existenz.
    Es war klar, warum

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