Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
zufällig ruft Mr. Tickford nach dir über den Flur, und so weiter.«
    »Du meine Güte! Kaum fünf Minuten getrennt, und schon sehnt er sich nach mir. Vielleicht sucht er meinen Rat, um ein paar der Präfekten zu degradieren. Ach, ich bin stets glücklich, beim lieben Jeremy vorbeizuschauen. Führt mich zu ihm, junger Mann, führt mich zu ihm.«
    Tickford stand mit todblassem Gesicht hinter seinem Schreibtisch.
    »Dieses Buch«, sagte er und hielt ein Taschenbuch hoch, »gehört das Ihnen?«
    O Gott … o mein Gott …
    Es war Adrians Exemplar von
The Naked Lunch
.
    »Ich … ich weiß nicht, Sir.«
    »Es wurde in Ihrem Zimmer gefunden. Ihr Name steht vorne drin. Kein anderer Schüler hat ein Exemplar in seinem Zimmer. Auf Anordnung des Direktors hin haben die Präfekten heute morgen alles durchsucht. Also, antworten Sie gefälligst. Ist das Ihr Buch?«
    »Ja, Sir.«
    »Jetzt sagen Sir mir bloß eins, Healey. Haben Sie die Zeitung allein geschrieben, oder waren andere beteiligt?«
    »Ich …«
    »Beantworten Sie meine Frage!« schrie Tickford und knallte das Buch auf den Tisch.
    »Allein, Sir.«
    Es gab eine Pause. Tickford starrte Adrian an und schnaubte schwer durch die Nase wie ein in die Ecke getriebener Stier.
    Oh, verfluchte Scheiße. Er wird mich schlagen. Er ist außer Kontrolle.
    »Gehen Sie auf Ihr Zimmer«, sagte Tickford endlich. »Bleiben Sie dort, bis Ihre Eltern Sie abholen kommen. Niemandem ist gestattet, Sie zu sehen oder zu sprechen.«
    »Sir, ich …«
    »Und jetzt machen Sie, daß Sie hier wegkommen, Sie giftiges Stück Scheiße.«

 
    Eine Schirmmütze, die mit einem betippten Blatt wedelte, stürmte ins Zollbüro, wo ein dunkelgrauer Anzug fernsah.
    »Genosse Kapitän«, sagte sie. »Ich habe die Inventarliste des Gepäcks der Delegation.«
    »Zuallererst können Sie sich den Genossenscheiß sparen«, sagte der dunkelgraue Anzug und nahm das dargebotene Blatt entgegen.
    »Szabós Gegenstände sind oben spezifiziert.«
    »Ich kann lesen.«
    Der dunkelgraue Anzug überflog die Liste.
    »Und den Rest der Mannschaft haben Sie genauso gründlich untersucht?«
    »Genauso gründlich, Gen… Kapitän Molgar.«
    »Die Schachbücher sind geprüft worden?«
    »Sie sind ausnahmslos geprüft und durch identische Exemplare ersetzt worden für den Fall …«, gestikulierte die Schirmmütze zuversichtlich. Sie hatte keine Ahnung, was die ursprünglichen Schachbücher hätten enthalten können. »Für den Fall von … Mikropunkten?« flüsterte sie.
    Der dunkelgraue Anzug schnaubte verächtlich.
    »Das Radio in Riblis Gepäck?«
    »Ein absolut normales Radio, Kapitän. Genosse Ribli hat es schon oft ins Ausland mitgenommen. Befindet auch er sich unter Verdacht?«
    Der dunkelgraue Anzug überhörte die Frage.
    »Csoms Koffer scheint sehr schwer zu sein.«
    »Es ist ein alter Koffer. Aus Leder.«
    »Lassen Sie ihn durchleuchten.«
    »Jawohl.«
    »Ja, Kapitän.«
    »Ja, Kapitän.«
    »Schon besser.«
    Die Schirmmütze hüstelte.
    »Kapitän, warum lassen Sie diesen Szabó außer Landes, wenn er …?«
    »Wenn er was?«
    »Ich - ich weiß nicht genau.«
    »Szabó ist einer der talentiertesten jungen Großmeister der Welt. Der nächste Portisch. Diese Durchsuchung ist eine reine Routinesache, um Ihre Effizienz zu prüfen, sonst nichts. Haben Sie verstanden?«
    »Ja, Kapitän.«
    »Ja, Genosse Kapitän.«
    »Ja, Genosse Kapitän.«
    Der dunkelgraue Anzug summte vor sich hin. Er wußte auch nicht, wonach sie suchten. Aber die Briten hatten ihm jahrelang sehr viel bezahlt, und jetzt, wo sie plötzlich wollten, daß er für sein Geld arbeitete, hatte er keinen Grund, sich zu beschweren. Das war ja schließlich keine gefährliche Arbeit. Er tat nur seine Pflicht, und falls seinen Vorgesetzten sein ungewöhnliches Interesse an Szabó auffiel, würde er für seinen Diensteifer eher belohnt als wegen Verrats erschossen werden.
    Er hatte sich am Morgen Szabós Akte besorgt, um zu sehen, ob es Anhaltspunkte gab, die diese plötzliche britische Anweisung rechtfertigten. Es gab nichts: Stefan Szabó, ein absolut untadeliger Bürger, Enkel eines ungarischen Helden und eine große Schachhoffnung.
    In einem blendenden Blitz kam dem dunkelgrauen
Anzug die Erleuchtung. Stefan Szabó plante, sich irgendwann im Lauf des Turniers in Hastings abzusetzen. Die Briten mußten prüfen, ob er ein ehrlicher Flüchtling war, ob er nicht irgendwelche Ausrüstung mitbrachte, die finsteren Absichten dienen könnte.
    Aber warum sollte ein

Weitere Kostenlose Bücher