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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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der Präsident nicht wollte, daß Adrian sie vergaß. Er konnte unmöglich zulassen, daß irgend etwas von der Trefusis-Affäre im überregionalen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Adrian sah seine Aufgabe deutlich vor sich. Er mußte einen Weg finden, etwas zu tun oder zu sagen, das die Aufzeichnung der Sitzung oder dieses Teils von ihr für den Familienabend untauglich machte.
    Er holte tief Luft.
    »Es tut mir leid«, sagte er und zerbrach seinen Bleistift, »aber es geht mir darum, daß ich nicht untätig herumsitzen und zuhören werde, wie man meinen Freund beleidigt, selbst dann nicht, wenn der Ankläger der Leiter der Staatsanwaltschaft, der beschissene Kronanwalt und der Sesselfurzer von oberstem Hexenjäger in einer Person wäre.«
    Ein älterer Orientalist reagierte auf diesen ungewöhnlichen Ausbruch mit entgeistertem Stottern.
    »Man hat Donald einen Verbrecher genannt«, fuhr Adrian fort, der langsam warm wurde. »Wenn ich eine Straße hinabrenne, um einen Bus zu erwischen, macht mich das zum Leistungssportler? Wenn Ihr im Bad jodelt, Rektor, macht Euch das zum Pavarotti? Dr. Menzies hat eine so leistungsfähige Zunge, daß er damit Waren im Supermarkt auszeichnen kann.«
    »Meine Worte zu verdrehen wird kaum helfen.«
    »Sie aufzudröseln vielleicht doch.«
    »Nun, dann dröseln Sie mal diese Worte auf«, sagte Menzies und hielt Adrian seine Zeitung unter die Nase.
    »Was, zum gelben Kinderschiß noch mal, haben Sie denn nun wieder vor?« sagte Adrian und schob die Zeitung weg. »Wenn ich mir die Nase putzen will, benutze ich meine vollgerotzte Popelfahne.«
    »Healey, sind Sie übergeschnappt?« zischte Corder, ein Theologe, der neben Adrian saß.
    »Das können Sie sich achtkantig in Ihren Ketzerarsch rammen.«
    »Also!«
    »Erklär ich Ihnen später«, sagte Adrian gedämpft.
    »Ach, das ist ein Spiel!«
    »Psst!«
    »Super!« flüsterte Corder, um dann anzustimmen, »ach, kommen Sie, Garth, machen Sie sich doch vom Acker.«
    »Wirklich«, sagte Menzies. »Ich habe keine Ahnung, aus welch infantilem Motiv heraus Sie mich mit Schimpfworten bedenken, Mr. Healey. Vielleicht finden Sie das komisch. Auf das Risiko hin, humorlos genannt zu werden, bin ich fähig und in der Lage, darauf hinzuweisen, daßselbst ein studentisches Publikum vom Spektakel eines Studenten unberührt bliebe, der jemanden beleidigt, der mehr als doppelt so alt ist wie er. Was Dr. Corder anbelangt, so kann ich nur annehmen, daß er betrunken ist.«
    »Verpissen Sie sich, Sie fette Titte«, fand Corder züchtige Worte.
    »Mr. President, ist denen gestattet, auf diese Weise fortzufahren?«
    »Dr. Corder, Mr. Healey, lassen Sie Dr. Menzies bitte vorbringen, was er zu sagen hat«, sagte der Präsident.
    »Sie haben verflucht recht, Mr. President«, sagte Adrian, stand auf und setzte sich sofort wieder hin. Ihm war aufgefallen, daß der Mikrofongalgen sich nur wenige Zentimeter über seinem Kopf befand. Bliebe er stehen, war zu befürchten, er würde im Bild erscheinen und die Einstellung verderben.
    »Sie haben das Wort, Sie Fatzke«, sagte Corder.
    »Ich denke, ich für mein Teil hätte anzumerken«, sagte Tim Anderson, »daß ungeachtet –«
    »Danke«, sagte Menzies.
    Adrian rülpste laut und tastete mit seinen Füßen nach dem Fernsehkabel, das unter dem Tisch entlanglief.
    »Also, für diejenigen unter Ihnen, die es noch nicht gesehen haben«, nahm Menzies den Faden wieder auf und fischte seine Brille aus der Jackentasche, »in der Abendausgabe unseres Stadtanzeigers steht ein Artikel, der für dieses College von außergewöhnlichem Interesse ist. Ich werde ihn Ihnen vorlesen.
    ›Professor Donald Trefusis‹«, intonierte er in jenem scheußlichen Deklamationsrezitativ, den Politiker sich immer für öffentliche Lesungen von 1. Korinther, Kapitel 13, vorbehalten, »›Inhaber des Regius-Lehrstuhls für Philologieund Senior Tutor am St. Matthew’s College, erhielt heute morgen eine Vorladung vor das Verwaltungsgericht Cambridge wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses …‹«
    Menzies brach ab. Während er gesprochen hatte, hatte ein großer elektrischer Scheinwerfer in der Zimmerecke auf seinem Stativ zu schwanken begonnen. Der Ständer quietschte und konnte sich nicht entscheiden, ob er am Boden zerschellen oder in eine aufrechte Position zurückkehren sollte. Als ein Techniker das bemerkte und hinüberzurennen begann, hatte er sich schon für den Fußboden entschieden. Es war der Lärm der explodierenden Zehnkilowattbirne

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