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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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zu entleeren?«
    »Selbstverständlich nicht!«
    »Wessen würde ich angeklagt, wenn ich’s täte?«
    »Erregung öffentlichen Ärgernisses, gar keine Frage, der Fall des Earl of Oxford …«
    »Genau. Aber werde ich auch festgenommen, wenn ich auf einer öffentlichen Toilette scheiße?«
    »Machen Sie sich doch nicht lächerlich.«
    »Eine öffentliche Toilette ist also vor dem Gesetz ein nichtöffentlicher Raum?«
    »Sie verdrehen wieder Worte, Healey.«
    »Aber erneut sind die Worte schon verdreht. Entweder ist ein kommunales Klosett ein öffentlicher Raum oder nicht. Wenn es ein nichtöffentlicher Raum ist, in dem man scheißen darf, wie kann es dann ein öffentlicher Raum sein, in dem man nicht fellieren darf?«
    »Ach, Fellatio war es also?« der Präsident schien überrascht.
    »Na, was auch immer.«
    »Wer hat sie an wem praktiziert, frage ich mich?«
    Menzies’ Zügelung seines Temperaments begann nachzulassen.
    »Entweder ist das Gesetz das Gesetz oder nicht! Wenn Sie die Absicht haben, für eine Gesetzesänderung dieTrommel zu rühren, Healey, viel Vergnügen. Tatsache bleibt, daß Professor Trefusis den guten Namen dieses Colleges in Verruf gebracht hat.«
    »Sie haben ihn noch nie gemocht, nicht wahr?« konnte Adrian sich nicht beherrschen. »Nun, dann ist das jetzt Ihre Angelegenheit. Er ist am Boden. Treten Sie doch auf ihm herum.«
    »Mr. President«, sagte Menzies. »Ich habe dieser Runde einen Antrag unterbreitet. Daß Donald Trefusis seiner Senior Tutorship entkleidet und ein volles Jahr vom College suspendiert werde. Ich fordere, zur Abstimmung zu schreiten.«
    »Mr. President«, sagte Adrian. »Dr. Menzies kann gewiß nicht vergessen haben, daß über einen Antrag nicht abgestimmt werden kann, solange gemäß dem Verfahren zur Anordnung der Maßregeln der Sicherung Sonderregelungen über die Anwesenheitspflicht des Beschuldigten sowie Zuziehung eines Sachverständigen bestehen?«
    »Äh … stimmt genau«, sagte der Präsident. »Denke ich auch. Finden wir unter uns einen Sachverständigen?«
    Schweigen.
    »Ich wiederhole meine Frage. Haben wir einen Sachverständigen zur Prüfung von Dr. Menzies’ Vorschlag, daß Donald Trefusis seiner Collegepflichten für die Dauer eines Jahres enthoben wird?«
    Schweigen.
    Menzies’ kreidebleiche Wangen wurden von scharlachroten Nadelstichen überzogen, was bei ihm als männliches Erröten durchgehen mochte.
    »Wahnsinn, absoluter Wahnsinn! Das wird dem College noch leid tun.«
    »Danke, Dr. Menzies«, sagte der Präsident.
    Er wandte sich dem Kamerateam zu.
    »Damit ist die Sitzung geschlossen. Darf ich Sie bitten, den Raum jetzt zu verlassen, da wir noch ein oder zwei Collegeangelegenheiten zu besprechen haben, die unmöglich von Interesse für Ihren Film sein können.«
    Das Team sammelte schweigend seine Ausrüstung ein. Sein Leiter funkelte Adrian an, bevor er den Raum verließ. Die Assistentin mit der Klemmappe winkte.
    »Da bin ich angekommen«, sagte sich Adrian.
    »Also dann«, sagte der Präsident, als der letzte des Teams gegangen war. »Es tut mir leid, Sie alle aufhalten zu müssen, aber ich habe heute morgen einen Brief von Professor Trefusis empfangen, und ich denke, Sie sollten ihn hören.«
    Er zog einen Brief aus seiner Innentasche.
    »›Henry‹«, las er vor. »›Wenn Sie dies lesen, fürchte ich, wird Ihnen meine Unbedachtsamkeit bereits zu Ohren gekommen sein. Ich habe das Gefühl, zunächst um Entschuldigung für die unangenehme Lage ersuchen zu müssen, in die ich Sie und das College gebracht habe.
    Ich werde Sie nicht mit Begründungen, Ausflüchten, Dementis oder Erklärungen belasten. Ich hege jedoch nicht den geringsten Zweifel, daß ich Sie am sinnvollsten um Inanspruchnahme meines Rechts auf ein Urlaubsjahr bitten sollte. Ich hatte ohnehin vorgehabt, Sie darum zu bitten, da mein Buch über die große Reibelautverschiebung mich nötigt, zur Erforschung der Quellenlage den Kontinent zu besuchen. Dürfte ich daher diese Gelegenheit ergreifen, um Ihre Erlaubnis zu bitten, Cambridge unverzüglich zu verlassen, bis das Urteil, das, dessen bin ich gewiß, schlimmstenfalls nichts Ungelegeneres als eine kleine Geldstrafe und bestenfalls eine Abmahnung seitens des Gerichts bringen wird, gegen mich ergangen ist?
    Vielleicht sind Sie so gütig, mich so bald wie möglich von Ihrer Entscheidung in dieser Angelegenheit wissen zu lassen, Henry, denn es sind allerhand Vorbereitungen zu treffen. Bis dahin verbleibe ich voller Zerknirschung

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