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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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gezogen wurde.
    Er kann mich doch nicht zudecken! Das kann er dochnicht machen. Ich hab ’ne Latte wie ’ne Milchflasche. Ist der eigentlich aus Fleisch und Blut, oder was? Ach egal, los geht’s. Frisch gewagt ist halb gewonnen.
    Er bog sich durch und strampelte mit den Beinen auf und nieder.
    »Lucy?« rief er, diesmal richtig laut.
    Er hatte keine Ahnung, wie er auf den Namen Lucy kam.
    »Lucy?«
    Er holte mit dem Arm aus und traf Cartwrights Schulter.
    »Lucy, bist du das?«
    Langsam spürte er eine warme Hand zwischen den Schenkeln.
    »Ja«, sagte er, »ja.«
    Dann strich weiches Haar über seine Brust, und eine Zunge leckte seinen Bauch.
    Hugo, seufzte er innerlich, Hugo! und laut: »o Lucy –
Lucy

     
    Vom Geräusch einer Toilettenspülung wachte er auf. Er lag unter der Daunendecke, und durch einen Spalt im Vorhang schien die Sonne. »O Gott. Was hab ich bloß getan?«
    Cartwright kam aus dem Badezimmer.
    »Morgen«, sagte er heiter.
    »Hi«, murmelte Adrian, »wie spät ist es denn, verflixt noch mal?«
    »Halb acht. Gut geschlafen?«
    »Jesus. Wie ein Stein. Und du?«
    »Nicht so gut. Du hast viel geredet.«
    »Oh, tut mir leid«, sagte Adrian, »das mach ich manchmal. Ich hoffe, ich hab dich nicht wach gehalten.«
    »Du hast immerzu Lucy gesagt. Wer ist Lucy?«
    »Ehrlich?« Adrian runzelte die Stirn. »Ach, ich hatte mal ’nen Hund, der Lucy hieß …«
    »Ach so«, sagte Cartwright. »Hab mich bloß gefragt.«
    Klappt jedes Mal, sagte sich Adrian, drehte sich um und schlief wieder ein.
    Es war eine kleine Beerdigung. Eine kleine Beerdigung für ein kleines Leben. Trotters Eltern freuten sich, Adrian wiederzusehen, und behandelten Cartwright höflich, konnten ihre Abneigung gegen ihn aber nicht völlig verbergen. Seine Schönheit, blaß in einem dunklen Anzug, beleidigte das Andenken an ihren untersetzten und gewöhnlichen Sohn.
    Nach der Zeremonie fuhren sie zum Bauernhof der Trotters, fünf Meilen außerhalb von Harrogate. Eine von Schweinchen Trotters Schwestern reichte Adrian ein Foto. Es zeigte ihn, wie er auf dem Bauch lag und ein Kricketspiel verfolgte. Sosehr er sich auch bemühte, Adrian kam nicht darauf, wann Schweinchen Trotter es aufgenommen haben konnte. Niemand sagte etwas dazu, daß Trotter keine Fotos von Cartwright aufbewahrt hatte.
    Mr. Trotter fragte Adrian, ob er in den Sommerferien vorbeikommen würde.
    »Haben Sie schon einmal Schafe geschoren?«
    »Nein, Sir.«
    »Es wird Ihnen gefallen.«
    Auf der Fahrt nach Hause setzte Tickford sich ans Steuer. Adrian durfte vorne neben ihm sitzen. Sie wollten nicht riskieren, daß ihm wieder schlecht würde.
    »Eine traurige Angelegenheit«, sagte Tickford.
    »Ja, Sir.«
    Tickford wies über seine Schulter auf Cartwright, der an Ma Tickford lehnte und leise schnarchte.
    »Ich hoffe, Sie haben niemandem davon erzählt«, sagte er.
    »Nein, Sir.«
    »Mit dem Trimester müssen Sie sich jetzt ranhalten, Adrian. Es hat nicht gut begonnen. Diese widerliche Zeitung und jetzt das … alles in der ersten Woche. Ein schlechter Geist geht um, und ich frage mich, ob ich auf Sie zählen darf, ihn zu bekämpfen?«
    »Nun, Sir …«
    »Vielleicht ist dies der Ruck, den Sie brauchten, um endlich anzufangen, sich ernst zu nehmen. Jungen wie Sie haben großen Einfluß. Ob der zum Guten oder zum Bösen verwendet wird, kann den Unterschied zwischen einer glücklichen und einer unglücklichen Schulzeit ausmachen.«
    »Ja, Sir.«
    Tickford tätschelte Adrians Knie.
    »Ich habe das Gefühl, mich auf Sie verlassen zu können«, sagte er.
    »Das können Sie, Sir«, sagte Adrian. »Ich verspreche es.«
     
    Um vier Uhr kamen sie zurück. Adrian ging auf sein Zimmer und fand es leer. Tom nahm seinen Tee offenbar sonstwo zu sich. Er hatte keine Lust, ihn aufzuspüren, also machte er sich selbst Toast und fing an, längst überfälliges Latein zu büffeln. Wenn er ein neues Leben beginnen wollte, dann konnte er gar nicht früh genug damit anfangen. Danach würde er Biffos Mitteilung beantworten. An all seinen Freitagnachmittagen teilnehmen. Mehr lesen. Mehr denken.
    Er hatte kaum angefangen, als es an der Tür klopfte.
    »Herein!«
    Es war Bennett-Jones.
    »Wirklich, R. B.-J. So geschmeichelt ich auch bin von deiner herumscharwenzelnden Aufmerksamkeit, ich muß dich doch bitten, dir einen anderen Spielkameraden zu suchen. Ich bin beschäftigt. Vergil ruft nach mir über die Jahrhunderte.«
    »Echt?« sagte Bennett-Jones mit einem tückischen Seitenblick. »Nun, rein

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