Der Lügner
Radiosendungen, seine »Hörfunkstunden«, wie er sie nannte, hatten ihm in letzter Zeit eine Art bescheidenen Ruhms verschafft, der das Ressentiment von Leuten wie Garth Menzies entfacht hatte. Adrian fiel es schwer zu glauben, daß Trefusis nach den Ereignissen der letzten Nacht und dieses Morgens auch nur daran denken konnte, mit ihnen fortzufahren. Jetzt spulte er sogar die Kassette auf seinem Uher-Recorder zurück.
»Setzen Sie sich«, sagte er. »Auf dem Sideboard steht ein ziemlich lustiger Bâtard-Montrachet. Sie können zwei Gläser vollschenken.«
Adrian schenkte zwei Gläser Wein ein und suchte sich einen Weg durch das Bibliorinth zu dem kleinen Zimmer-im-Zimmer, das Donald, seinen Schreibtisch, seinen Computer und seinen Kassettenrecorder enthielt. Dieses Zimmer befand sich mitten im Zimmer und bildete ein inneres Allerheiligstes von nicht mehr als zwei Metern im Quadrat und knapp drei Metern Höhe, zur Gänze aus Büchern erbaut, hauptsächlich rumänischen, wie es den Anschein hatte. Es gab sogar eine Tür. Die war Teil des Bühnenbildes seiner Studenteninszenierung von
Travesties
gewesen, die Trefusis sehr gefallen hatte. Die Regisseurin, Bridget Arden, die bei ihm studierte, hatte ihm die Tür als Geschenküberreicht. Erst hatte es großer Bühnengewichte bedurft, um sie aufrecht stehen zu lassen, aber nachdem der Rahmen von allen Seiten mit Büchern umstapelt worden war, stand sie bald so festgekeilt wie nur möglich.
Trefusis behauptete, ein Vorteil dieses merkwürdigen Innenzimmers bestünde darin, daß es eine ausgezeichnet schallisolierte Kammer für seine Rundfunkaufnahmen abgab. Adrians Ansicht war, daß es eine gewisse Agoraphobie oder zumindest Klaustrophilie befriedigte, die Trefusis nie eingestehen würde.
Trefusis sprach ins Mikrofon, während Adrian auf Zehenspitzen näher kam.
»… und da diese unangenehme Lage in all ihren edlen und monumentalen Proportionen Ihnen durch die zuvorkommenden Instanzen der Presse mittlerweile bekannt geworden sein dürfte, möchte ich Ihnen an dieser Stelle eine Beschreibung der saftigeren Einzelheiten ersparen, obwohl ich mich darauf freue, sie Ihnen noch vor Jahresende auf ehrliche, direkte und männliche Weise mitzuteilen. Bis dahin möchte ich, wenn Sie gestatten, diesen Hörfunkstunden eine Ruhepause gönnen und etwas von der Welt sehen. Seien Sie sicher, daß ich, sobald ich herausgefunden habe, wie es um die Welt bestellt ist, es Sie wissen lassen werde, natürlich nur diejenigen unter Ihnen, die das interessiert, die anderen werden halt raten müssen. Falls Sie das getan haben, dann fahren Sie inzwischen damit fort, und denken Sie ja nicht daran aufzuhören.«
Er seufzte und legte das Mikrofon weg.
»Tja, das ist alles sehr traurig«, sagte er.
»Wo soll ich den Wein hintun?« sagte Adrian und sah sich nach einer freien Stelle um.
»Ich würde die Kehle versuchen, mein lieber Junge«,sagte Trefusis, nahm sein Glas und leerte es. »So. Ich nehme an, Sie sind vorbeigekommen, um mir von der Konferenz zu erzählen?«
»Es war empörend«, sagte Adrian. »Menzies wollte Ihr Blut sehen.«
»Der gute Mensch. Wie dumm von ihm, es war nicht da, es war die ganze Zeit hier und zirkulierte durch meinen Körper. Er hätte kommen und darum bitten sollen. War er sehr sauer?«
»Er war von meiner Taktik jedenfalls nicht besonders angetan.«
Trefusis sah ihn erschrocken an.
»Sie haben doch nichts Leichtsinniges gesagt?«
Adrian klärte ihn über den Verlauf der Konferenz auf. Trefusis schüttelte den Kopf.
»Sie sind ein außerordentlich dummer Junge. Clinton-Lacey hat meinen Brief verlesen, nehme ich an?«
»Ja, das hat Menzies so ziemlich den Wind aus den Segeln genommen. Aber es war überflüssig, Donald, sonst wollte niemand, daß Sie aussteigen. Warum haben Sie ihn geschrieben?«
»Das Herz kennt seine Gründe.«
»Sie sollten Menzies im Auge behalten. Ich wette, er wird im nächsten Jahr Ihre Wiedereinstellung verhindern wollen.«
»Quatsch, Garth und ich fließen vor Liebe zueinander über.«
»Er ist Ihr Gegner, Donald.«
»Das ist er ganz bestimmt nicht«, sagte Trefusis. »Nicht, bevor ich das sage. Er mag sich danach sehnen, mein Gegner zu sein, er mag auf Knien rutschend um offene Feindseligkeit der gewalttätigsten Art flehen, aber nur zu zweitkann man sich in die Haare kriegen. Ich wähle mir meine Gegner selbst.«
»Wie Sie wollen …«
»Ich will es so.«
Adrian probierte seinen Wein.
»Butterweich, nicht wahr? Die Vanille
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