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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Ihr alter Freund Donald.‹«
    »Nun«, sagte Menzies schließlich, »welche Ironie. Offenbar darf man von Professor Trefusis zumindest in mancher Hinsicht mehr Anstand erwarten als vom Rest der Fellows.«
    »Daß dir die Arschspalte verfaule, du fetter Wichser«, sagte Corder.
    »Das Spiel ist aus, Alex«, sagte Adrian. »Das Kamerateam ist gegangen.«
    »Ich weiß«, sagte Corder und stopfte den Papierkram aus der Besprechung in seine Aktentasche. »Das war ernst gemeint.«

 
    In einem kleinen Schlafzimmer hatte sich ein gestreiftes Nachthemd mit einer grauen Jacke unterhalten.
    Das Tonband ihres Gesprächs wurde von einem dunkelgrauen Anzug abgehört. Die graue Jacke tat ihm leid, die mit der ruinierten Hülle eines einst erstklassigen Gehirns fertig werden mußte.
    Der alte Narr plapperte von Schinken und Käse.
    »Ja, ist gut, Großvater, du solltest dich jetzt ausruhen.«
    »Steffis Käse ist im Kühlfach, weißt du«, winselte das gestreifte Nachthemd.
    »Ja, genau«, beruhigte die graue Jacke, »natürlich ist er das.«
    »Dein Käse ist in der Vorratskammer.«
    »In der Vorratskammer, genau.«
    »Gestern habe ich Gott gesehen, er ist sehr nett. Ich glaube, er mag mich.«
    Die graue Jacke hörte sich sehr bekümmert an. Der dunkelgraue Anzug hörte, wie der alte Mann weinte.
    »Ich hab ihm erzählt, daß ich seit zwei Wochen nicht geschissen habe, Martin. ›Das brauchst du im Himmel auch nicht‹, sagte er. War das nicht nett?«
    »Sehr nett. Wirklich sehr nett.«
    »Nimm zwei Sorten Käse. Immer zwei Sorten. Einen für die Maus und einen fürs Kühlfach.«
    »Ja gut.«
    »Ein bißchen Pörkelt schadet auch nicht. Mit ein paar Eierklößchen und Rotkohl. Aber keinen Zucker.«
    »Jetzt wird aber geschlafen.«
    Der dunkelgraue Anzug hörte, wie die graue Jacke vom Bettrand aufstand. Hörte, wie er das Nachthemd auf die Stirn küßte. Hörte … ein gezwungenes Flüstern?
    Der dunkelgraue Anzug drehte die Lautstärke seines Kassettenrecorders voll auf.
    »Martin! Martin!« Ein heiserer, dringender Befehl des alten Mannes.
    Die Schritte der grauen Jacke verhielten vor der Tür. »Näh es in das Jackenfutter!« Der alte Schweinehund war also doch gesund. Der dunkelgraue Anzug griff nach einem Block und erstellte eine Chiffre für London.

SIEBEN
     
     
    Während er auf dem kürzesten Weg von der Unterkunft des Rektors zu Donald Trefusis’ Gemächern in Hawthorn Tree Court den Fluß auf der Sonnet Bridge überquerte, klatschte Adrian frustriert gegen jede der steinernen Kugeln, die dem Boden des erhabenen Bauwerks entlang aufgereiht waren. Er hatte die Sitzung gehaßt, hatte das Vergnügen gehaßt, mit dem Garth Menzies den Artikel in den
Cambridge Evening News
vorgelesen hatte, hatte die aufkommenden Blicke zotigen Gaudiums auf den Mienen des BBC-Teams gehaßt. Alle lachten sie über Trefusis.
    Hölle und heiße Scheiße, sagte er sich, ausgerechnet Donald.
    In Amerika nannte man’s die Teezimmerbranche, in Deutschland einfach Klappe. Sich für einen Quickie auf ein öffentliches Klo zu begeben.
    »Schlechte Nachrichten, Adrian«, hatte der Präsident am Morgen gesagt. »Donald ist verschwunden und in der Verkleidung eines Toilettencowboys wieder aufgetaucht. Mir hat er gesagt, um halb elf müsse er vor Gericht erscheinen. Die
Evening News
bringen’s bestimmt. Und morgen die überregionalen. Was zum Teufel sollen wir bloß machen?«
    Adrian erinnerte sich an Zeiten, da er sich an Sommerabenden auf Donalds Polstersofa ausgestreckt hatte, erhitzt vom Kricketspiel. Oder an die Wochen, in denen sie sich während des langen Urlaubs im vorigen Jahr Hotelzimmer in Venedig, Florenz und Salzburg geteilt hatten.Der Mann hatte nie auch nur Adrians Schulter berührt. Aber dann wieder, warum sollte er auch? Es gab genug schlaksige, schlaffe Studenten an der Universität, die appetitlicher als Adrian waren. Und vielleicht stand Donald ja eher auf Orton als auf Auden. Vielleicht entzündete auch nur die anonyme harte Welle sein Feuer. Leben und leben lassen, natürlich: Aber er hätte doch lieber Adrian betatschen sollen, als sich vor einem schmierigen LKW-Fahrer hinzuknien, der beim Namen Levi-Strauss nur Jeans verstand, und dem einen zu blasen auch einen Ruf, eine Karriere und eine Lebensweise in den Wind blies.
    Es war Adrians letzter Sommer, aber wann immer er die Brücke überquerte, egal, wie sehr er in Gedanken war, er konnte es doch nie lassen, zu den Backs hinüberzuschauen, der grünen Abfolge von Rasen und

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