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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Weiden, die sich hinter den Colleges am Fluß entlangzogen. Wenn der Spätnachmittagsnebel vom Cam aufstieg, versetzte ihn die absurde Schönheit des Ortes in tiefe Schwermut. Schwermut, weil er sich selbst dabei erwischte, unangemessen darauf zu reagieren. Es hatte eine Zeit gegeben, zu der diese Mischung aus natürlicher und menschlicher Vollkommenheit ihn in freudige Erregung versetzt hätte. Aber jetzt hatten die Angelegenheiten der Menschen und die Pflichten der Freundschaft jenen Teil von ihm beansprucht, der der Gefühle fähig war, und für die Natur oder die Abstraktion war nichts mehr übrig.
    Donald Trefusis ein Lokuspokus, ein Klappenklepper. Wer hätte das gedacht?
    Adrian, dem sexuelle Abenteuerlust nicht fremd war, war dem Charme öffentlicher Bedürfnisanstalten als Erotiksalon nie erlegen. Es hatte sich einmal zugetragen, kurz nach seiner Entfernung von der Schule, daß er sichvom Zwicken seiner Därme veranlaßt sah, eine Herrentoilette im Busbahnhof von Gloucester aufzusuchen.
    Als er dort saß und seinen Dickdarm sanft ermutigte, hatte er plötzlich bemerkt, wie ihm durch ein unangenehm großes Loch in der Wand, die ihn von der Nachbarkabine trennte, ein Zettel zugeschoben wurde. Er hatte ihn genommen und durchgelesen, ohne sich etwas Arges dabei zu denken. Vielleicht war eine unglückliche behinderte Person in Schwierigkeiten geraten.
    »Ich mag junge Schwänze«, stand auf dem Zettel.
    Schockiert sah Adrian durch das Loch. Wo der Zettel gewesen war, befand sich jetzt ein menschliches Auge. Weil ihm unter diesen Umständen nichts anderes einfiel oder weil er ein geborener Narr war, hatte Adrian gelächelt. Ein gewinnendes Lächeln, begleitet von einer freundlichen, leicht herablassenden Handbewegung: die Sorte strahlender Ermutigung, die man einem Kleinkind zuteil werden läßt, das einem unfähiges Gekrakel überreicht hat.
    Sofort folgte nebenan Fußgeraschel, und eine Gürtelschnalle fiel auf Zement. Nach kurzer Pause zwängte sich ein großer und ziemlich erregter Penis durch das Loch und zuckte drängend.
    Ohne sich Zeit für Hygiene und Komfort zu lassen, hatte Adrian seine Hosen hochgezerrt und war voller Panik geflohen. Die nächste halbe Stunde hatte er Gloucester durchwandert auf der Suche nach einem Örtchen, wo er sich abwischen könnte, da er es nicht wagte, einen weiteren öffentlichen Abort aufzusuchen. Bis auf den heutigen Tag vermochte Adrian das Verlockende an Toiletten nicht zu erkennen. Abgesehen von allem anderen der Gestank. Und das Risiko … aber das Risiko war dabei die Hauptsache, nahm er an.
    Aber trotzdem, der Trefusis, den er kannte – der Mann mit dem zerstrubbelten weißen Haar und irischen, dornensicheren Jacken mit Flicken an den Ellbogen, Trefusis der Elvis-Costello-Fan und Wolseley-Fahrer, Trefusis der Sportfan und Vielsprachige – es war nicht leicht, sich auszumalen, wie dieser Trefusis wie rasend an einem LKW-Fahrer herumschmatzte. Es war, als versuchte man sich Malcolm Muggeridge beim Masturbieren oder Margaret und Denis Thatcher in koitaler Ekstase verknotet vorzustellen. Aber ob die Vorstellung nun schwerfiel oder nicht, all diese Dinge waren, so mußte angenommen werden, geschehen.
    Adrian hüpfte über den Rasen von Hawthorn Tree Court, eine aus Schultagen beibehaltene Vorsichtsmaßnahme.
    »Healey, können Sie nicht lesen?« hatte man ihm immer nachgerufen.
    »O doch, Sir. Ich kann sogar sehr gut lesen, Sir.«
    »Können Sie dann nicht sehen, daß da laut und deutlich steht: ›Betreten des Rasens verboten‹?«
    »Ich trete nicht, Sir. Ich hüpfe.«
    »Spielen Sie bloß nicht den Schlaumeier, Bursche.«
    »Verstanden, Sir. Wie dämlich möchten Sie mich denn, Sir? Sehr dämlich oder nur ziemlich dämlich?«
    Er flitzte die Treppe hoch und hämmerte gegen Trefusis’ Eiche. Collegezimmer hatten zwei Türen, und wenn die aus Eiche, die äußere Tür, verschlossen war, hielt man es allgemein für schlechtes Benehmen, lauthals Einlaß zu begehren. Adrian war der Meinung, die Umstände erlaubten diesen Fauxpas.
    Gedämpft hörte er es drinnen fluchen.
    »Donald, ich bin’s. Adrian. Wollen Sie mich nicht reinlassen?«
    Nach einem Seufzer und Knarren der Dielen öffnete sich die Tür.
    »Also wirklich, können Sie nicht sehen, daß meine Eiche verschlossen ist?«
    »Tut mir leid, aber ich dachte …«
    »Ich weiß. Ich weiß, was Sie dachten. Kommen Sie, kommen Sie. Ich war beim Aufnehmen.«
    »Oh, ’tschuldigung.«
    Donalds unregelmäßige

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