Der Lügner
gefiel mir ›in die Kiste‹. Ist es Ihnen immer unangenehm, wenn ich eine potentiell erotisch interpretierbare Bemerkung mache?«
»Tut mir leid«, sagte Adrian. »Ich habe das Gefühl, daß ich ein schlechter Jahrgang bin.«
»Das ist Unsinn, aber hübsch gesagt. Wir sprachen über das Trinken, ich habe es immer für das Richtige gehalten, wenn junge Menschen trinken. Keine Alkoholiker natürlich, das ist ein passiver Zustand, kein aktives Handeln. Aber es ist gut, im Übermaß zu trinken. Das hört sich nach einem Trinkspruch an. Auf das Übermaß.«
»Auf das Übermaß«, sagte Adrian und stieß mit ihm an. »Nichts geht darüber.«
»Ihre rührige Zunge läßt Freudentrauben bersten an Ihrem edlen Gaumen, und so soll es auch sein.«
»Keats«, rülpste Adrian. »Ode an die Melancholie.«
»Keats in der Tat«, sagte Trefusis und schenkte ihnen nach. »Ode
auf
die Melancholie, um genau zu sein, aber ich hoffe, die Pedanterie haben wir hinter uns.«
»Scheiße«, sagte Adrian, der es haßte, korrigiert zu werden, sei’s auch höflich.
»Jetzt«, sagte Trefusis, »sollten wir uns unterhalten. Gegenwärtig«, sagte er, »habe ich zum Thema letzte Nacht nichts zu sagen. Eines Tags, da die Welt rosiger würde, könnte ich eine Erzählung machen, wovon das leichteste Wort deine Seele zermalmen, dein Blut erstarren, deine zwei Augen, wie Sterne, aus ihren Kreisen taumeln, deine krausen, dichtgedrängten Locken trennen und jedes einzelne Haar wie die Stacheln des ergrimmten Igels emporstehen machen würde und Sie überhaupt ganz verdattert machen wird. Aber für den Augenblick – Silentium, alle Gedanken zum Thema können Sie für sich behalten: Versiegeln Sie die Lippen. Ich habe Ihnen allerdings einen Vorschlag zu machen, den ich Sie ernsthaft zu bedenken bitte. Sie haben, nehme ich an, fürs nächste Jahr noch keine festen Pläne?«
»Stimmt.«
Adrian hatte sich überlegt, bis zum Ende der Abschlußprüfungen zu warten, bevor er sich entschied, was er nun mit sich anfangen solle. Falls er eine Eins bekam, hatte er immer noch vor, in Cambridge zu bleiben, andernfalls, nahm er an, würde er sich irgendwo einen Posten als Lehrer suchen.
»Wie wär’s, frage ich mich, wenn Sie Ihren Sommer mit mir auf Reisen verbrächten?«
Adrian glotzte. »Also, ich …«
»Wie Sie wissen, plane ich Quellenarbeit für mein Buch. Aber ich habe noch etwas vor. Es gibt da ein Problem, das gelöst werden muß, ein greuliches Problem, aber nicht ohne Reiz. Ich glaube, Sie können mir dabei tatkräftige Unterstützung bieten. Als Gegenleistung übernehme ich selbstverständlich sämtliche Ausgaben, Hotelkosten, Flüge und so weiter. Es wird, denke ich, ein Ausflug werden,der des Interesses und der Unterhaltung nicht gänzlich entbehrt. Am Ende der Reise werden wir uns erneut in England absetzen, Sie, um Premierminister zu werden, oder was für bescheidene Ambitionen Sie sonst haben mögen, ich, um die Enden einer ruinierten und enttäuschten Karriere wiederaufzunehmen. Schlagen Sie zu diesem Plan ein?«
Adrian war eher erschlagen wie ein Tennisball von Roscoe Tanner, aber ob er einschlagen sollte, konnte er nicht sagen. Der Kopf schwindelte ihm vor lauter Fragen. War Trefusis verrückt geworden? Was würden seine Eltern sagen? Sollte er es ihnen sagen? Erwartete Donald von ihm, das Bett mit ihm zu teilen? Ging es einzig und allein darum?
»Nun?«
»Es … es ist unglaublich.«
»Der Vorschlag gefällt Ihnen nicht?«
»Gefallen? Natürlich gefällt er mir, aber …«
»Ausgezeichnet!« Trefusis schenkte zwei weitere Gläser Wein ein. »Dann machen Sie mit?«
Wenn ich mich nun weigere, mit ihm zu schlafen, dachte Adrian, ob er mich dann einfach rauswirft und mitten in Europa ohne einen Penny sitzenläßt? Doch wohl nicht.
»Gott ja!« sagte er. »Ich mache mit.«
»Wunderbar!« sagte Trefusis. »Dann lassen Sie uns auf unsere große Fahrt trinken.«
»Genau«, sagte Adrian und leerte sein Glas, »auf unsere große Fahrt.«
Trefusis lächelte.
»Ich fühle mich geschmeichelt«, sagte er.
»Ich mich auch«, sagte Adrian, »aber …«
»Ja?«
»Dieses Problem, das Sie erwähnten. Bei dem ich Ihnen helfen könnte. Worum genau …?«
»Oh«, sagte Donald. »Ich fürchte, ich bin noch nicht befugt, wie man so sagt, die Einzelheiten preiszugeben.«
»Aha.«
»Aber ich glaube, es kann nicht schaden, wenn ich Sie bitte, im Geiste zum letzten Sommer zurückzukehren. Erinnern Sie sich an die Salzburger
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