Der Lügner
gewonnen hatte.
»Also los, Malthouse«, sagte Hugo. »Lauft sie zuschanden, werft sie auseinander.«
»Beim Losen ist auf mich Verlaß«, sagte Hooper. »Tut mir leid, Sir.«
»Spiel nicht den Trottel«, sagte Adrian. »Es ist ein gutes Wicket, um als zweite zu schlagen, es wird den Nachmittag über trocknen.«
Er warf Rudder den Ball zu, Charthams erstem Werfer, bevor er seine Position beim Wicket einnahm.
»Denk dran, Simon«, sagte er, »gerade und richtig weit, nur darauf mußt du achten.«
»Ja, Sir«, sagte Rudder und schluckte.
Das Spielfeld lag in einer Art Tal, mit der aufragenden neugotischen Narborough Hall auf der einen Anhöhe und der Kirche und dem Dorf von Narborough auf der anderen. Der Pavillon war weiß gestrichen und strohgedeckt, das Wetter ideal mit bloß einer leichten Brise, die den Feldspielern die Hemdsärmel aufblähte. Der düstere Ernst, mit dem die Kinder sich auf das Spiel vorbereiteten, die gelassene Heiterkeit Hugos beim Fänger links vom Schläger, die Kirchenglocke, die Mittag schlug, die vom Rasenmäher gezogenen runden Mahdkreise im Außenfeld, die Sonne, die über die Racke der Sichtblende blinzelte, von drüben das Trappeln von Spike-besetzten Turnschuhen auf dem Pavillonbeton, das offene Blau des weiten Himmels über Norfolk, die sechs Kiesel in der Hand von Adrians ausgestrecktem Arm, diese ganze monströse Illusion erstarrte, während die Welt für Adrian den Atem anzuhalten schien, als sei sie unsicher, daß dieses Bild von Dauer sein könne. DiesesPhantom eines England, das alte Männer auf dem Totenlager mit sich nahmen, dieses England ohne Fabriken und Kloaken oder Sozialwohnungen, dieses England aus Leder und Holz und Flanell, dieses England, umschrieben von weißen Spielfeldbegrenzungen und Regeln, die besagten, daß jedes Team elf Männer ins Feld schicken solle und daß jeder Mann schlagen solle, dieses England der Jagdsitze, Wetterhähne und Pfarrtees glich Cartwrights Schönheit, dachte er, eine vorübergehende Vision, für eine Sekunde erhascht vom Traum eines Heranwachsenden und dann wie Dunst entschwunden in die wirkliche Atmosphäre von Verkehrsstaus, Massenmördern, Premierministerinnen und dem Strich von Soho. Aber ihr prismatischer Nebel war schärfer und klarer als das Grelle des Alltags und wurde wider besseres Wissen für die einzige Realität gehalten, ihre Gespinste vom Geiste eingefangen und destilliert, ihre Bilder, Düfte und Texturen auf Flaschen gezogen und gegen die lange, einsame Melancholie des Erwachsenseins hinterlegt.
Adrian senkte den Arm.
»Schlagen!«
Rudder warf einen Ball über die volle Länge, und der Schläger schwang seinen Schläger zur Verteidigung elegant nach vorn. Aber der Ball war bereits an ihm vorbei, und Rice, der Fänger am Wicket, hüpfte vor Freude. Der Schläger sah sich ungläubig um und sah den rechten Querstab am Boden liegen. Er kehrte kopfschüttelnd zum Pavillon zurück, als ob Rudder einen entsetzlichen Fauxpas begangen hätte. An der Spielfeldgrenze wurde vereinzelter Applaus laut. Die Schule befand sich im Unterricht und würde erst nach dem Mittagessen zuschauen.
Adrian warf sich einen Kiesel in die rechte Hand und grinste zu Hugo hinüber.
»Ich hab ihn erwischt, Sir!« sagte Rudder und polierte den Ball am Bein. »Erwischt, verdammt noch mal. Verdammtes Schwein gehabt.«
»Du warst zu schnell für ihn, mein Guter«, sagte Adrian und zog ihn beiseite. »Der nächste Schläger wird Angst haben, wirf ihm zwei sehr schnelle grade über die Linie beim rechten Querstab und dann einen langsameren auf die Mitte, aber angetäuscht.«
»Verstanden, Sir.«
Adrian fragte sich, ob es gegen die Etikette verstieß, wenn ein Schiedsrichter während des Spiels Anweisungen gab. Aber dann sah er, wie Hugo, der am anderen Ende die Querstäbe wieder hochgelegt hatte, nachdrücklich mit der aus dem Außenfeld an ihn herantretenden Nummer drei flüsterte. Also gut, dann würden sie es eben zwischen sich austragen, wie die Generäle im Ersten Weltkrieg.
Bei den ersten beiden Bällen tat Rudder, was er ihm aufgetragen hatte, ließ sie zum neuen Schläger fliegen, der den ersten anspielte und verfehlte und den zweiten ignorierte. Zum dritten trat er dröhnend heran, schnaubte und stampfte wie ein Büffel. Der Schläger bebte.
Nicht gerade eine subtile Vorstellung, sagte sich Adrian.
Der Ball kam früh los und schien mit halber Geschwindigkeit hinüberzutrudeln. Der Schläger hatte seinen Verteidigungsschlag schon fast
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