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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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erbleichte.
    »Sir?«
    Adrian packte Rudders Arm.
    »Was hat er gesagt?«
    »Sir, Sie tun mir weh! Es war bloß ein Scherz.«
    »Du findest die Vorstellung eines Selbstmords also amüsant, ja?«
    »Na ja, Sir, aber es war doch bloß …«
    Rundum herrschte Schweigen. Die Jungen an seinem Tisch blickten auf ihre Frühstücksflocken hinab. Es paßte nicht zu Adrian, wütend oder grob zu werden.
    »Tut mir leid, meine Engel«, sagte er und versuchte zu lachen. »Hab heute nacht nicht geschlafen. Ich hab am Stück gearbeitet. Entweder das, oder ich werde verrückt. Es war Vollmond, wißt ihr, und in meiner Familie gab es einige Werwölfe. Onkel Everard verwandelt sich immer in einen Werwolf, wenn er die Titelmusik von
Crossroads
hört.«
    Rudder kicherte. Der unangenehme Augenblick ging vorüber.
    »Also, heute sieht’s nach einem schönen Tag aus. Ich schlage vor, wir bepacken den Minibus mit einem Kasten Cola, bevor wir fahren. Ihr kennt ja die Wettkampftees in Narborough.« Laute Hochrufe waren jetzt zu hören. Die anderen Tische sahen neidisch herüber. Healeys Gruppe hatte immer ihren Spaß.
     
    Die Atmosphäre im Minibus war gespannt. Adrian saß neben ihnen und versuchte, strahlend und siegessicher zu wirken. Es hatte keinen Sinn, ihnen zu erzählen, sie sollten immer daran denken, daß es nur ein Spiel sei, während er selber vor Nervosität zitterte wie Espenlaub.
    »Wir werden uns das Spielfeld mal ansehen«, sagte er zu Hooper, dem Captain, »und danach entscheiden wir. Aber wenn es nicht eindeutig feucht ist, schickt sie ins Feld, falls ihr das Seitenlos gewinnt. ›Lauft sie zuschanden, werft sie auseinander …‹, das klappt immer.«
    Er war zufrieden mit dem, was er mit der Kricket-Elf erreicht hatte. Er selbst war nie ein besonders guter Spieler gewesen, aber er kannte und mochte das Spiel gut genug, um eine Schülermannschaft auf Vordermann zu bringen. Nachdem sie ein Aufwärmspiel seiner A-Mannschaft gegen eine zusammengekratzte Auswahl aus dem Rest der Schule gesehen hatten, waren alle der Meinung, daß er in zwei Wochen hervorragende Arbeit geleistet habe.
    Aber jetzt standen sie zum ersten Mal einem echten Team gegenüber, und er machte sich Sorgen, daß sie von einer anderen Schule auseinandergenommen würden. Hooper hatte ihm erzählt, im letzten Jahr sei Chartham Park der Spott der ganzen Gegend gewesen.
Der Bus ächzte die Auffahrt nach Narborough hoch. »War jemand schon mal hier?«
    »Ich, Sir, zu einem Rugbyspiel«, sagte Rudder.
    »Warum sind andere Schulen bloß immer so abstoßend? Sie sehen unendlich viel größer und ernsthafter aus und die Jungs alle mindestens wie vierzig.«
    »Es ist kein schlechter Ort, Sir. Ziemlich freundlich.«
    »Freundlich? Der Schlund des Heffalump steht weit offen, aber glaubt nicht, daß dies Freundlichkeit verkündet.Traut niemandem, sprecht mit niemandem. Verschluckt diese Mitteilung, sobald ihr sie gehört habt.«
    Ein Junge im Narborough-Blazer erwartete sie, um der Mannschaft den Weg zu zeigen. Adrian sah ihnen nach, wie sie hinterm Haus verschwanden.
    »Bis nachher, meine Kleinen. Nehmt keine selbstgedrehten Zigaretten von ihnen an.«
    Ein alter Lehrer wieselte heraus, um Adrian zu begrüßen.
    »Sie kommen aus Chartham Park, ja?«
    »Ganz richtig. Adrian Healey.«
    »Steverley. Ich gehöre nicht zum Kricket. Unser Mann muntert die Mannschaft noch etwas auf. Im Augenblick ist große Pause. Kommen Sie doch ins Lehrerzimmer, und vertilgen Sie mit uns ein Käsebrötchen.«
    Das Lehrerzimmer war prunkvoll und, wie Adrian schien, von mehr Lehrern bevölkert als Chartham Schüler hatte.
    »Ah, Charthams junges Blut!« dröhnte der Direktor. »Hergekommen, um uns eine Tracht Prügel zu versetzen, nicht wahr?«
    »Na ja, da bin ich mir nicht so sicher, Sir«, schüttelte Adrian ihm die Hand. »Ich habe gehört, Sie hätten tolle Kerle. Mit einem zweistelligen Ergebnis wären wir zufrieden.«
    »Die falsche Bescheidenheit steht Ihnen nicht, wissen Sie. Ich wittere Ihr Selbstvertrauen. Sie wollen nach Matthew’s, soweit ich weiß?«
    »Das ist richtig, Sir.«
    »Nun, dann wird es Sie freuen, wenn ich Ihnen meinen Onkel Donald vorstelle, der bei uns wohnt, bis in Cambridge das Semester beginnt. In St. Matthew’s wird er IhrSenior Tutor sein. Wo ist er denn? Onkel Donald, das ist Adrian Healey, die neue Geheimwaffe von Chartham Park, der an Michaelis zu euch stößt. Adrian Healey, Professor Trefusis.«
    Ein kleiner Mann mit weißem Haar und einem verdutzten

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