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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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zu reißen, wissen wir, daß es aus ist.«
    Zwei Tage nach dem letzten Schultag waren der Direktor und seine Frau ausgegangen, und Clare und Adrian hatten die ganze Schule für sich. Es war kalt, aber sie waren nackt durch die Klassenzimmer gerannt, wo sie sich über einen Tisch geworfen hatte, um eine Tracht Prügel zu bekommen, in die Küche, wo sie sich mit Marmelade und Schmalz beworfen hatten, ins Lehrerzimmer, wo er sie mit einer Fußballpumpe aufgepumpt hatte, in die Jungendusche, wo sie ihm aufs Gesicht uriniert hatte, und schließlich in die Turnhalle, wo sie miteinander über die Matten gerollt waren, kreischend und rutschend und wie wahnsinnig rammelnd.
    Er lag da und sah zu den Kletterseilen hoch, die von der Decke hingen. Beim Akt hatten seine sämtlichen Sinne Urlaub gehabt, aber jetzt, wo es vorbei war, spürte er die Prellung an der Schulter, wo er in eine Tür gerannt war, roch das saure Schmalz, den Urin und die Marmelade, womit er bedeckt war, hörte die Heißwasserrohre unter dem Fußboden und die Blähungen in Clares Bauch.
    »Bad«, sagte er. »Bad, dann Bett. Mein Gott, ich werde diese Ferien brauchen.«
    »Bleib noch ein bißchen bei mir.«
    An dem Punkt waren sie nie einer Meinung. Adrian hatte noch nie im Nachglühen schwelgen können.
    »Zeit für die Wanne.«
    »Warum willst du immer sofort baden, wenn du mit mir geschlafen hast? Warum können wir uns nicht noch ein bißchen in unserem Schmutz suhlen?« fragte sie.
    Er unterdrückte seine übliche postkoitale Verwirrung und Verachtung.
    »Du brauchst nach keinem psychologischen Grund zu suchen, den es nicht gibt. Ich bade nach jeder anstrengenden Übung. Das bedeutet nicht, daß ich mich schmutzig fühle« – obwohl er das tat –, »das bedeutet nicht, daß ich versuche, dich aus meinem Leben zu spülen« – obwohl es das war –, »das bedeutet weder Schuld noch Scham, Reue oder irgend sowas« – obwohl es das tat. »Das bedeutet bloß, daß ich baden möchte.«
    »Tunte!« schrie sie ihm nach.
    »Lesbe!« brüllte er zurück.
    Als er im nächsten Semester zurückkam, war sie fort. Ihre Nachfolgerin war eine Vierzigjährige mit nur einer Brust, die eindeutig lesbisch war, was dem Rest des Personals gestattete, sie unwiderstehlich begehrenswert zu finden. Sie verbrachten ihre Tage damit, sie als großartiges altes Mädchen zu bezeichnen, und ihre Abende, sie zum Pub-Besuch zu überreden.
    »Ihre Freundin ist fort, Sir«, sagte Newton. »Was werden Sie jetzt tun?«
    »Ich werde den Rest meines Lebens damit verbringen, dich zu Brei zu schlagen«, sagte Adrian. »Das wird mir vergessen helfen.«
     

III
     
    Am Morgen des Spiels hatte Hunt wie üblich eine Nachricht unter Adrians Toast geschoben. Diesmal war es ein großes herzförmiges Blatt Papier, mit Küssen bedeckt. Das ging zu weit.
    Theoretisch mußte der Junge auf dem Putzplan auch den Lehrern Toast machen, aber Hunt hatte schon vor langer Zeit entschieden, daß nur er Adrians bereitete. Um dieses Recht kämpfte er mit jedem. Immer, wenn Adrian herabkam, lagen auf seinem kleinen Teller zwei Scheiben und unter ihnen eine Nachricht, meist nichts Schlimmeres als »Der Toast, Sir …« oder »Jede Scheibe auf traditionelle Weise handgeröstet von Meistern ihrer Zunft«. Aber Liebesherzchen gingen zu weit.
    Adrian suchte im Saal nach Hunts Platz. Der Junge wurde rot und winkte kurz.
    »Was haben Sie heute von Hunt dem Fingerhut erhalten, Sir?« fragte Rudder, der neben Adrian sitzende Präfekt. Hunt war aus offensichtlichen Gründen als Fingerhut bekannt und weil man ihn für ziemlich unterentwickelt hielt.
    »Ach nichts, nichts … den üblichen Schleim.«
    »Ich wette nicht, Sir. Wir haben ihm erzählt, daß heute Valentinstag wäre.«
    »Aber Valentinstag, bester Rudder, fällt auf den vierzehnten Februar und bleibt dort bis zum fünfzehnten desselben Monats liegen. Falls mich deine alberne Konversation nicht so gelangweilt hat, daß ich sieben Monate verschlafen habe, genießen wir gegenwärtig den Monat Juni. Was sonst könnte schließlich deine weißen Kricketsachen erklären?«
    »Ich weiß, Sir. Aber wir haben ihm erzählt, Valentinstag wäre
heute
. Das ist der Witz.«
    »Aha! Nun gut, wenn die Queen schon zweimal Geburtstag haben darf, warum sollte man Hunt dem Fingerhut das Recht nehmen, zwei Valentinstage zu feiern?«
    »Er hat gesagt«, sagte Rudder, »wenn er nichts von Ihnen bekommt, würde er sich aufhängen.«
    »Er hat
was
gesagt?« fragte Adrian und

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